Mein Lieblingswerk dieser documenta dann in der Neuen Galerie. Ein ganzer Seitenflügel des Gebäudes bespielt mit Malerei, Notizbüchern, Objekten, Schultischen, Bänken, jahrhundertaltem Holzspielzeug, Photos, Soundtrack per Kopfhörer u.a. von Bach (Choräle), Arvo Pärt und Händel. Die im Raum ausgehangenen und mit expressiven, an eine Mischung aus Kinderzeichnung, Basquiat und Dubuffet erinnernden Malereien auf länglich-vertikalen Stoffbahnen geben dem Raum eine luftige und sakrale Atmosphäre. Sie sind schön und böse zugleich. Die Ruhe vor dem Sturm oder der Wind, der über das stille Schlachtfeld weht. Ein Hauch des Todes, die Schifffahrt auf dem Hades, tiefes dunkles Gewässer, wollweiße Gewänder, atemlose Stille, aus der Ferne kosmische Klänge, Harfen, die aus der Gegenwelt herüber klingen.
„The Missing Link. Dicolonisation Education by Mrs Smiling Stone (2017)“, so der Titel dieses atemberaubenden und raumfüllenden Werkes. Die Künstlerin Elagie Gbaguidi, geboren 1965 in Dakar, fragt: Wie kann Bildung dazu beitragen das Bewusstsein zu reinigen: dass es keine Unterwesen gibt / sondern das die Geburt eines Lebens / ein Wert an sich ist / Dass jedes menschliche Wesen ein Recht / auf eine Wiege hat“. Es geht in diesem Werk um Rassenhass und den „Code Noir", ein Dekret zur Sklavenhaltung aus dem Jahr 1685 – der „monströseste juristische Text der Moderne", so Sorbonne-Professor Louis Sala-Molins. Man mag nicht glauben, dass sich das Menschen aus Fleisch und Blut, mit einem Herzen ausgestattet, ausgedacht haben. Ein perfektes Beispiel für Kunst, die es darauf anlegt zu verführen, die dieses auch im Handumdrehen vermag, die den Betrachter dann mit einem dunklen Thema konfrontiert, wie eine Fliege gefangen im Spinnennetz. Man öffnet sich dieser Kunst und kann sie tief wirken und nachhallen lassen, man will nicht wieder fort. Spinne komm‘, ich liebe dich. „Have you ever danced with the devil?“, wie Slayer dereinst sangen.