Ein Objekt hat also immer eine Funktion, eine Absicht, es ist das Ergebnis des Tuns. Kunst ist genau das Gegenteil, und wenn man das jetzt noch tiefer anguckt, dann kann man auch mal Kant zitieren: „Kunst ist interesseloses Wohlgefallen“. Im ästhetischen Bereich gibt es die Berührung zwischen Design und Kunst. Im Bereich der Interesselosigkeit ist Design aber genau das Gegenteil von Kunst. Wenn Designer die Absicht verlieren, dass das, was sie tun, einen Zweck verfolgt, geht es schief.
stilwerk leistet seit einem Vierteljahrhundert einen Beitrag dazu, Design eine größere Bedeutung zukommen zu lassen. Glaubst du, dass Design heute als eigenständig und formgebend gewürdigt wird?
Alexander Garbe: Es würde dem Design nicht so viel Interesse entgegengebracht werden, wenn es nicht irgendwo in der Gesellschaft angekommen wäre. Wenn man sich heute anguckt, wie viele Designblogs es etwa gibt, weiß man schon, dass Design keine Modeerscheinung ist, sondern ein Teil des Lebens.
Dr. Woelky: Ich finde die Frage spannend, weil sie zu einer nächsten Frage führt. Nämlich: Treibt die Gesellschaft die Designprozesse oder treiben die Designprozesse die Gesellschaft? Wodurch entsteht Modernität? Was ist Modernität? Wir sprechen da über zeitgemäße Formsprache. Der Toaster, der heute entworfen wird, sieht anders aus als der, den es vor 30 Jahren gab. Ich glaube, dass Modernität, wie wir sie wahrnehmen, durch Formenveränderung identifiziert wird. Wenn alles äußerlich unverändert bliebe, würden wir kaum feststellen, dass die Gesellschaft sich verändert hat. Wir müssten schon sehr anders hinschauen. Modern ist das, was anders aussieht? Wohl nicht!
Sollte Design seiner Zeit voraus sein oder folgt die Form den aktuellen Entwicklungen?
Alexander Garbe: Das ist nicht eindeutig. Natürlich hat das Smartphone ganze Wirtschaftszweige verändert. Ohne ein iPhone oder Tablet würde es heute Netflix nicht geben. Auf der anderen Seite ist Rauchen schädlich und die Industrie musste ein neues Produkt wie eine E-Zigarette entwickeln, weil die andere auf dem Weg nach draußen ist – eben weil sich unsere Gesellschaft verändert hat, gesundheitsbewusster geworden ist. So treibt der Fortschritt die Gesellschaft und umgekehrt.
Dr. Woelky: Wenn wir mal auf das Marketing gucken, gibt es eine alte Debatte: der Unterschied zwischen Angebots- und Nachfrageverhalten. Inzwischen weiß man, dass die Angebote das Kaufverhalten beeinflussen und weniger andersherum. Die Bedarfe sind längst übererfüllt, und wir müssen uns viel einfallen lassen, damit wir Produkte entwickeln können, die marktfähig sind. Aktuell werden die Haushaltsgeräte digitalisiert und zentral vom Smartphone gesteuert. Wer wollte das eigentlich? Irgendjemandem ist das eingefallen. Finde ich das gut? Weiß ich nicht. Muss ich das haben? Weiß ich auch nicht.