#einefragedesdesigns: Prof. Nina Juric (extended)

Von der Staatsoper Stuttgart, einem alten Mercedes, Bärbel Bold und den neuen Medien: Nina Juric ist ein absolutes Allroundtalent und in diesem Jahr erstmals Jurymitglied der Raymond Loewy Foundation. Wir freuen uns die talentierte Künstlerin und Professorin für Image & Motion an der Köln International School of Design vorzustellen und haben mit Ihr über Kreativität, Anfänge und die prägendenden 1990er Jahre geplaudert.

Nina Juric studierte Kunst und Medien und postgraduierte in TV & Film Design an der Filmakademie Baden-Württemberg, um sich dann im Feld der künstlerischen (audio-)visuellen Kommunikation zu spezialisieren. Sie arbeitet für und mit Künstlern wie Olafur Eliasson oder Martin Eder; Agenturen wie Meta Design oder Strichpunkt, dem Zentrum für internationale Friedenseinsätze, sowie großen Unternehmen wie wie Samsung, Audi oder dem Virtual Reality Center von Daimler Chrysler. Im Jahr 2014 war sie Creative Director für Konzept und Strategie bei Saatchi & Saatchi Pro, Berlin.

Seit 2001 ist sie erfolgreiche Unternehmerin und führt das Motion Design Studio Nindustrict. Unter ihrem Künstlernamen Bärbel Bold ist sie Mitbegründerin des typographischen Concept Stores Letters Are My Friends in Berlin, der sich der „Kombination von Schrift mit neuen Technologien“ verschrieben hat. Ihr Arbeiten drehen sich rund um „Type 'n Tech“, wie sie es nennen. In ihrem Studio und Showroom organisiert sie federführend Events, Ausstellungen und Workshops. Seit 2013 ist Juric zudem verstärkt in der Lehre tätig: 2013 war sie als Dozentin für die Module Type 'n Motion, Event Packaging-Formate und interdisziplinäre Designpraxis an der Züricher Hochschule der Künste tätig; in 2015/2016 folgte eine Vertretungsprofessur für audiovisuelle Medien an der FH Münster, bevor sie 2016 die Professur für das Lehr- und Forschungsgebiet Image & Motion an der Köln International School of Design übernahm. Seit 2018 ist Nina Juric außerdem Mitglied der Jury des Lucky Strike Junior Designer Award. 2019 leitete Juric gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerd Mies ein forschende Lehrprojekt, das in Zusammenarbeit mit dem Studio Letters Are My Friends und Studierenden der Köln Interional School of Design eine begehbare Rauminstallation mit dem Titel Shelter of Love in den Foyers der stilwerk Häuser Berlin, Düsseldorf und Hamburg konzipierte und umsetzte. Als modernes Design-Krippenspiel lädt die Installation Besucher dazu ein, sich Fragen zu Heimat und Schutz, Solidarität und Grundrechten, sowie Transparenz und Frieden stellen. Mehr dazu hier ›

Mit stilwerk spricht die Künstlerin und Hochschulprofessorin über Kreativität, Anfänge und die prägendenden 1990er Jahre.

Initialzündung?
Vor allem die darstellenden Künste hielten früh Einzug in mein Leben. Als Kind ging ich ins Ballett, spielte Klavier und sang mit meinen Schwestern im Kinderchor der Staatsoper Stuttgart. Anders als meine große Schwester, war ich jedoch der bessere Statist und ging am liebsten hinter der Bühne verloren: im Schauspielhaus, in den riesigen Malersälen und im Kostümfundus. Ich mochte es in der Maske zu sein; Bühnenbildner fand ich toll und überhaupt das ganze Treiben im Haus während der Vorstellungen war unglaublich spannend. Wir spielten in vielen Opern mit und manchmal versteckten wir uns in den Tanzsälen des Balletts und sahen den Tänzern des Ensembles beim Proben zu. Es war ein riesiger Spielplatz, der aus heutiger Sicht sehr prägend für mein ästhetisches Empfinden war.

Auch der Macintosh meines Vaters war früh ein fabelhaftes Spielzeug. Ich konnte damit zeichnen oder durfte geschriebene Rätsel mit Dingbats-Zeichen entschlüsseln. Seit der Grundschule hatte ich eine beste Freundin, mit der ich Gameboy, Keyboard und Atari spielte. Wir hatten Schneckenzuchten, die wir verkauften, eine Girl-Gang (NMSL) und eine Vorstadtclique (PVP 2000). Wir waren unzertrennlich! Wir erfanden die fabelhaftesten Spielformate, werkelten eigentlich immer an irgendetwas und inszenierten die ärgsten Streiche in unserer rauen Vorstadt: Von Kinderpolizei (gefälschte Ausweise, die uns zur Beschlagnahmung von Fahrrädern befähigten) bis hin zu Traumhochzeit (inszenierte Fake-Hochzeitsanträge, die wir mit der Videokamera unserer Eltern aufnahmen) war alles dabei.

Auch dank unserer Geschwister wurden wir beide zu recht rotzigen aber aufgeklärten Teenagern: Es war die Zeit von Madonna, Dirty Dancing und Peter Lindberghs Topmodels, die in allen Magazinen abgelichtet wurden. Meine Schwester kannte sie alle beim Namen und wir blätterten nächtelang durch Modemagazine wie Vogue, Elle und Brigitte, während Songs aus Radiosendungen für Mixtapes zusammenschnitten. Sie hörte die neueste Musik – WuTangClan / Tribe Called Quest / Salt n‘ Papa / Nirvana / Guns n‘ Roses / McHammer / RotterdamTechno – und nahm mich zu Konzerten mit. Ich erinnere mich an eines der allerersten Konzerte der Fantastischen Vier, die es je gab: ein Open Air auf der Esslingen Burg.

Und irgendwann in den 1990ern hatte ich meine erste E-Mail-Adresse (AOL) und chattete über ICQ mit Unbekannten in aller Welt. So prägte mich die Vielzahl der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, die Mitte/Ende der 1990er in Medien- & Subkultur aufpufften: Graffiti und StreetArt, Punk und HipHop, Internet, Computer und Konsolen. „Generation MTV“ – wir kannten alle Musikvideos, Lyrics und Sendungen, die es zu der Zeit gab und wussten über die Moderatoren, Stars und ihren Gossip Bescheid. Man könnte also sagen ich wuchs – zusammen mit einer ganzen Generation – einfach in die aufkommende Medienindustrie der 1990er Jahre rein.

Als Teenager lernte ich schweißen; ging auf Schrottplätze, baute dort Leuchten, Bars und Kunstwerke aus Stahl und arbeitete in verschiedenen, zeitgenössischen Galerien. Ich hasste es, schlechtklingende Videoinstallationen den ganzen Tag im Loop zu hören, konnte aber den technischen Aufbauten viel abgewinnen. Ich wunderte mich schon früh über Inhaltslosigkeit, schlimme Kameraführung oder die furchtbaren, falsch beleuchteten Kompositionen der Filmszenen. Ich mochte aber die mit abstrakter oder interaktiver Kunst gefüllten Räume und empfand die Aura von Medieninszenierungen als solche sehr inspirierend. Für mich ging es immer um Style: egal ob an der Wand, in der Mode oder in der Musik. Alles ging, aber es musste – für mein Empfinden – irgendwie echt oder eigen sein und stilistisch passen.

Nach dem Abitur (1999) entschied ich mich, Kunst und Medien zu studieren. Das wurde wohl der berufliche Weg zum Design. Das Praktikum dazu machte ich in der Medienwerkstatt des Stuttgarter Werkstatthaus: Wir machten Zeichentrickfilm und Knet-Animationen mit Kindern und Jugendlichen. Die Fantasie von Kindern war – und ist – absolut faszinierend und bereichernd! Hier erwuchs auch die Liebe zum Film und zum „Geschichtenerzählen mit Technik“. Wahrscheinlich studierte ich im Anschluss deswegen auch TV & Film Design. Neben einer Idee und einem Konzept, finde ich wichtig, dass es originell ist und nicht das, was jeder schon kennt! Und das wurde mir mit den Kindern nochmal glasklar! Unabhängig welches Medium ich später benutzte. Das war immer der Treiber für meine eigenen Designs.

Später wurde ich Teil des Künstlerkollektivs Mongomania und veranstaltete DnB-Parties mit dem Tensionbasement. Über die Veranstaltungen und Kunstevents kam ich mit Anfang 20 dazu Live-Visuals zu performen. Seitdem beschäftigte ich mich mit Raum und Medien. Ich machte Filme, baute interaktive Installationen, schrieb später ein eigenes Medientheaterstück und kreierte Live-Visuals für große Konzerte und Festivals. Das war eine tolle Zeit, die mein Technologie- und Designverständnis bis heute formt.

TL;DR
Die eine Initialzündung gab es bei mir nicht. Es hat sich eher langsam und leise angebahnt. Der Weg kam über die Kunst, den Raum, das Spiel und das Erforschen der Welt: von den darstellenden Künsten in meiner Kindheit, über Galerien in denen ich arbeitete, über Menschen und ihre Geschichten, Musik, Wandmalerei und Experimente mit allen möglichen Materialien wie Stahl, Nagellack und Dose, über Computer, Konsolen und Medienkunst bis hin zu den medien-technologischen Veränderungen und Einflüssen meiner Teenager-Zeit in den 1990ern und die Clubkultur danach. Ich denke das alles hat bei mir die Neugier für die Kombination von Design- & Technologiethemen geweckt.
 


Liebstes Designstück im Alltag?
Bob. Mein alter Mercedes, W123, Baujahr 1984; auch wenn das hier jetzt keine politisch korrekte Antwort ist. Ich finde dieses Auto besitzt eine der schönsten Karosserien, die jemals herausgekommen sind. Es ist das erste Auto, was ich je hatte und fährt mich seit ziemlich genau 10 Jahren durch die Welt.

Kreativster Ort?
An einer Ecke, um die ich herumdecken muss. Da, wo sich der Raum und die Zeit weiten. Da, wo unerwartete Energien frei werden. Zum Beispiel wenn Humor im Spiel ist, oder Impulse bestehen, die mir etwas neu vorkommen lassen oder sonst irgendwie triggern. Da, wo eine Situation, eine Person, ein Ding, eine Software, eine Frage, eine Aufgabe, eine Fantasie oder eine Farbe dazu einladen, mich zu verhalten – mich gerade dahingehend verführen, mich einzulassen. In meinem Auto, wenn ich gerade den Kofferraum mit einem Schlauchboot und voller Spraydosen herumfahre und überlege, was ich jetzt alles damit machen könnte. Ob ich dann tatsächlich am kreativsten bin, weiß ich nicht mit absoluter Sicherheit; aber ich bin überzeugt, man spürt, wenn eine Idee gut ist.

Helden?
Meine Welt ist voller Helden und Heldinnen. Wenn sie Helden als Inspirationsquellen meinen, dann geht das über Designer wie Zeitguised oder Andreas Übele, über Philosophen wie Paul Virilio, Ayn Rand oder Amen Arvanessian, Schriftsteller wie Neil Stephenson, über Musiker wie Micachu, Esmark, Matthieu Herbert oder Amon Tobin, Choreographen wie Meg Stuart, Regisseure wie René Pollasch über befreundete Künstler wie Danny Gretscher, Gregor Kuschmirz oder Chris Hoffmann von Uglystupidhonest, hin zu Persönlichkeiten wie meine Mutter und meinen Vater, die mich ständig überraschen!

Lieblingsmaterial?
Wenn, dann sind es wohl Buchstaben im Zusammenspiel von Körper, Geist und neuen Technologien. Aber ich habe mich selten von einem Material abhängig gemacht. Eher von Zeit. Mein Material ist alles, was in Bewegung ist und Beziehungsräume herstellt zwischen realen und virtuellen Räumen. Narrative Zeitleisten, Dauer, Länge, Abläufe, Abkürzungen, Handlungsstränge und -anweisungen, Loops, Verschachtelungen, Gleichzeitigkeit, interaktive Schaltungen, … Mein Umgang mit „Zeitlichem“ und meine Betrachtung, was Material generell ist und sein kann und was Materialität im Kontext von zeitbasierten Medien im interaktiven Design bedeutet, ändern sich ständig mit den Möglichkeiten und den Perspektiven auf Bewegung und Interaktion, mit denen ich mich beschäftige.

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