Kolumne: Über die Intensität des Weniger ist Mehr
Leben reformieren durch Entrümpeln bei guter Beleuchtung.
Das Leben intensivieren? Durch Wohnen intensivieren? Durch Kleidung, Essen und andere Kulturgenüsse? Die Spannbreite des Programms „Intensivieren des Lebens“ in häuslichen wie in öffentlichen Szenarien ist extrem. So meinte Hermann Göring, der Genusssüchtige unter den vier Nazi-Größten, als er im Mai 1945 zum Ende des Tausendjährigen Reiches befragt wurde: „Wenigstens zwölf Jahre anständig gelebt!“ – das hieß Carinhall-Protzerei, täglicher dreifacher Wechsel der ordensbekleckerten Uniform, Machtgenuss im Kommandieren, Champagner-Sause und Selbstbespiegelung im Film. Demgegenüber steigerten die Mitglieder der Weißen Rose ihre Lebensintensität durch Kampf gegen die Diktatoren. Sie fanden es sinnvoll, ihr individuelles Leben zu riskieren, um anderen das Leben zu erhalten.
Kulturgeschichtlich steht das Modell „epikureisches Genießen“ gegen das Modell „stoische Pflichterfüllung“. Beide, Genuss wie Askese, sind Formen der Intensivierung des Lebens. Lassen sich die Positionen zugleich, das heißt in Übereinstimmung praktizieren? Zum Bauhaus-Jubiläum darf daran erinnert werden, wie Gestaltungsaskese zur bewussten Lebenssteigerung beitragen sollte. Licht, Luft und Wasser, gute, aber mäßige Kost und Bewegung in „Bewegungen“ sollten das Ideal der Aufklärung durchsetzen: Erleuchtung durch Beleuchtung, Souveränität durch Selbstbeherrschung, Freiheit als Einsicht in Notwendigkeiten und ein gutes Gewissen durch Verpflichtung auf Modernität.