Herr Hahn, Sie leben seit über einem Jahrzehnt in London. Was macht London kreativer?
Das kulturelle Leben hat hier eine wahnsinnig große Bandbreite. Auch die Art von Toleranz, welche die Stadt bietet, schätze ich sehr. In den Bereichen Kunst, Design, Architektur findet hier ein Austausch statt, der über gewohnte Routinen hinausgeht. Das macht London unschlagbar. Für mich ist sie die einzige voll internationale Stadt in Europa. Eine „Cross-Pollination“. Ich sehe Design als Teil einer Kultur. Nicht nur als isolierte Disziplin, die sich mit einem Thema befasst. Wenn ich an einem neuen Projekt arbeite, habe ich oft eine sehr selektive Wahrnehmung. Da hilft es ungemein viel Kultur und viele Aktivitäten um sich herum zu haben. Dadurch stelle ich mir andere Fragen und komme auf andere Ideen.
Wie arbeiten Sie als Designer?
Ich beschäftige mich sehr viel damit Dinge zuerst verstehen zu wollen. Wofür werden sie benutzt? Wie gehen Menschen damit um? Ein bisschen solche Fragen wie in der Sendung mit der Maus, ganz plakativ gesagt. Ich glaube Design funktioniert ähnlich wie andere Medien auch. Nehmen wir beispielsweise ein Buch. Der Autor hat verschiedene formale Mittel, um etwas darzustellen. So ähnlich klappt es auch beim Design. Die Sprache der Dinge zu entschlüsseln und neu zu verschlüsseln finde ich extrem interessant. Vorgänge, die für den endgültigen Verbraucher gar nicht wahrnehmbar sind, sondern unterschwellig passieren. Wir sehen ein Objekt und innerhalb einer Zehntelsekunde haben wir ganz viele Gedanken, die wir damit verbinden. In erster Linie Emotionen oder Erinnerungen.
Muss gutes Design immer emotional sein?
Wir nehmen Objekte um uns herum wahr, weil wir Teil einer Kultur sind und jeder sein eigenes Wertesystem hat. Diese Ordnung zu erkennen ist spannend. Damit habe ich als Designer die Chance etwas zu entwerfen, das einen emotionalen Effekt auslösen kann. Direkte Emotionen sind eher Typ-Sache. Aber mir geht es darum, dass ich den Raum dafür schaffe eigene Gefühle und Gedanken an das fremde Design zu knüpfen. Sie kennen das doch, wenn man vor einem Schrank steht und mehrere Gläser zur Auswahl hat. Meist greift man zu einem bestimmten Glas, weil Form, Materialstärke und die haptischen Eigenschaften irgendwie sympathisch sind. Ich designe meist Dinge, die reduziert sind. So haben sie Bühne und Projektionsfläche für eigene Geschichten. Dann behält man auch Objekte länger und schafft ungern Ersatz.