Wo machen wir in Zukunft Urlaub? Welche Form ist mit der Umwelt im Einklang, welche technischen Fortschritte spielen eine bedeutdente Rolle? Wie geht’s mit dem Tourismus im All weiter – kommt der ernstzunehmende Durchbruch oder bleibt alles eine Träumerei von Multimillionären? Wird uns der Klimawandel andere Ansprüche an die Luxus-Hotellerie lehren? Viele Fragen, bisher wenig Antworten. Doch bereits jetzt zeigen neue Design-Projekte, wie innovativ die Zukunft des Reisens sein kann.
Urlaub im All? An der Vision wird gearbeitet....©Orbital Assembly Corporation
Von Silke Roth
Eco-Floating Hotel, Katar
Umgeben von grün-blauem Wasser, mitten im Ozean der arabischen Halbinsel soll es andocken: das erste schwimmende Hotel der Welt. Die Umsetzung stellt gerade Architekten, Nautik-Experten und Umwelt-Ingenieure auf eine harte Probe. Auch wenn die Kombination aus der Mega-City Katar, Yachtanleger und Hubschrauberlandeplatz alles andere als ressourcenschonend klingt, wird hier unter strengen Nachhaltigkeits-Richtlinien gebaut. Die 350.000 Quadratmeter große Konstruktion gewinnt Energie, indem sie rotiert. Strom wird über Wind, Sonnen- und Gezeitenkraft erzeugt, alles zugunsten minimalem Energieverlust. Binnen 24 Stunden dreht sich das Luxushaus um die eigene Achse, nur das Pier bleibt statisch. Das geschieht jedoch so langsam, dass kein Gast Angst vor Schwindel haben muss – mit Meerblick aus allen 152 Zimmern wäre dies schließlich fatal. Aufgrund seiner Beweglichkeit kann das Hotel theoretisch an jeden Ort wandern. Eine Sache, die das Konzept besonders mit Hinblick auf die anstehende Weltmeisterschaft attraktiv macht. Wohlhabende Fußballfans mit Luxus und Nachhaltigkeit zu empfangen, klingt vielversprechend.
© Hayri Atak Architectural Design Studio
Svart Resort, Norwegen
Ein traumhafter Panoramablick am Fuß des Svartisen Gletschers, knapp oberhalb des nördlichen Polarkreises. Wer an so einem kostbaren Ort baut, verpflichtet sich, die Natur zu schützen. So wurde aus dem norwegischen „Svart Resort“ das weltweit erste Luxushotel mit positiver Energiebilanz. Durch getankte Sonnenenergie wird aktuell der Bau des Gebäudes sowie der Hotelbetrieb abgedeckt. Vielmehr noch – der Überschuss an generierter Power versorgt die umliegende Infrastruktur. Wer sich nun fragt, wie sich ein kreisförmiger Neubau von der Uferlinie eines Gletschers bis ins Wasser des arktischen Fjords erstrecken kann, ohne die Natur zu beeinflussen – auch hier wurde weit gedacht: Das Tragewerk steht auf einer Stelzenkonstruktion oberhalb der Wasseroberfläche. Somit wird das in sich geschlossene Ökosystem nur punktuell berührt und nicht zerstört. svart.no/
© MIRIS AS
Voyager Station, Weltall
Ein gigantisches, bewohnbares Rad, das im erdnahen Orbit schwebt – klingt wie der Schauplatz eines Science-Fiction Films. Doch das Szenario könnte schon in vier Jahren wahr werden: Mit einem Durchmesser von 200 Metern wird die rotierende Raumstation „Yoyager“ in die Umlaufbahn der Erde integriert. Alle 90 Minuten soll sie diese umrunden. Blicken die Gäste dann aus ihren Suiten, sehen sie die Erde in ihrer ganzen planetarischen Anmut. In der Umsetzung wird mit zwei Hauptträgern gearbeitet. Am inneren Ring können Raumschiffe andocken, sowie Passagiere empfangen und Fracht entladen werden. Der äußere Ring ist das Rückgrat. Er dient als Aufhänger für die bewohnbaren Module, Sonnenkollektoren und Heizkörper. Aber wie finden im schwerelosen Raum eigentlich Annehmlichkeiten wie Duschen, Schlafen, Saunen und Restaurantbesuche statt? „Durch eine simulierte Schwerkraft wird alles ähnlich funktionieren, wie man es auf der Erde gewohnt ist“, sagt das verantwortliche Raumfahrtunternehmen OAC. Man darf gespannt sein. voyagerstation.com
© Orbital Assembly Corporation
Kisawa Sanctuary, Mozambique
Ein Luxusretreat, das nachhaltigem Urlaub auf den Grund geht – diese Vorgabe wurde hier wörtlich genommen. Denn beim Bau des „Kisawa Sanctuary“ wurden Materialien und Elemente aus dem 3D-Drucker gewonnen. Eine neu entwickelte und patentierte Sanddrucktechnologie arbeitete mit Sand – und Meerwassermörtel. So wurden Bauschutt und Emissionen reduziert und gleichzeitig nachhaltige Rohstoffe eingesetzt. Ein Design-Ansatz, der aber keineswegs die Expertise lokaler Handwerker ausschließen sollte. Man wollte schließlich neben der Umwelt auch die örtliche Kultur bewahren. Alle zwölf Bungalows wurden deshalb mit Hilfe lokaler Kunsthandwerker eingerichtet, von Tischlern bis zur Weberin, was mehr als 1000 Arbeitsplätze in der Umgebung schuf. Das traditionelle Know-how über den Einsatz von Stroh oder Textil ist auch in einem 5-Sterne-Hotel Gold wert. Im Jahr 2020 eröffnete das afrikanische Resort auf Benguerra Island, in unmittelbarer Nähe eines Nationalparks. Ein Ort, der Luxus neu definiert, indem er das subtropische Ökosystem schützt und die Community miteinschließt. Gutes Design ist eben nicht nur dafür da, schön auszusehen. Es kann auch als Werkzeug dienen, die Erde zu erhalten.
© Bacchus Agency
Forestis Dolomites, Südtirol
Umgeben von mildem Klima, reiner Luft, vielen Sonnenstunden und kostbarem Quellwasser kann man auf 1800 m Höhenmetern im Örtchen Palmschoss das Zeitgefühl schon mal verlieren. Und genau dafür wurde das Ruhe-Resort „Forestis Dolomites“ gebaut. Knapp 20 Kilometer von der Stadt Brixen entfernt, fügt sich das 5-Sterne-Hotel in das malerische Dolomiten-Panorama ein. Im Jahr 2010 gab es hier nur das denkmalgeschützte Herrenhaus mit typisch alpinen Fenstern und einer wettergeprägten Fassade. Dann entschlossen sich die jungen Inhaber, einen Schritt weiterzugehen und anzubauen. Aber wie kommt man dabei nicht der Natur in die Quere? Man baut nachhaltig, CO2-neutral und arbeitet, wie der benachbarte Wald es tut: in die Höhe. So entstanden drei baumhohe Türme mit minimalistischen Suiten, Penthouse-Appartments und einem Spa. Den besten Ausblick hat hier deshalb jeder. Alles wurde aus regionalen Hölzern gefertigt, der Innenausbau und die Einrichtung mit Schreinern und kleinen Betrieben aus der Umgebung umgesetzt. Für jeden gefällten Baum wurden zwei neue gepflanzt. Und wer sich fragt, was so wundervoll in den Zimmern duftet: Es sind die naturbelassenen Fichtenhölzer. forestis.it/de
© FORESTIS
Dexamenes Seaside Hotel, Griechenland
In einem alten Weintank aus den 20er-Jahren zu übernachten, klingt zunächst gewöhnungsbedürftig. Nicht aber, wenn man das Areal am Kourouta Beach sieht, einem der unberührtesten Küstenabschnitte des westlichen Peloponnes. Anstatt einen hochmodernen Luxus-Komplex zu bauen, entschied man sich mit den Überbleibseln einer ehemaligen Kellerei, ein Design-Hotel entstehen zu lassen. 34 Zimmer, die ein Stück griechisch-architektonische Handelsgeschichte mit sich tragen, und das alles direkt am Meer. Der raue Industrial-Chic und die Ursprungform wurden erhalten. Notwendige, neue Elemente wurden mit recyceltem Stahl, Holz und Glas ergänzt. Im umliegenden Gelände versorgt sich das Küchen-Team durch biologischen Anbau teilweise selbst. dexamenes.com/
© Dexamenes
Arcana, Kanada
Social Distancing auf höchstem, ästhetischen Niveau – das Hideaway der kanadischen Architekten Leckie Studios trifft mehr als den Nerv der Zeit. Irgendwo in einem Waldstück der Provinz Ontario, etwa zwei Autostunden nördlich von Toronto entfernt, entsteht „Arcana“: hölzerne Design-Appartments, die durch verspiegelte Fassaden im Wald verschwinden. Durch die rostfreie Stahlverkleidung können die Gäste der Natur besonders nah sein. Der Blick nach draußen ist wie durch ein normales Fenster – doch von außen sieht man nicht hinein. Jedes Appartment ist ähnlich einer Hütte aus Pinienholz gestaltet: knapp 26 Quadratmeter inklusive fließendem Wasser, Küchenzeile und Schlafkapsel mit gigantischer Fensterfront. Wer morgens aufwacht, könnte damit rechnen, ein paar Tiere zu begrüßen. Bereits nach wenigen Stunden fühlt man sich im Kreislauf der Natur angekommen. Zur modernen Version eines Waldcamps gehören auch eine separat zugängliche Sauna und eine Feuerstelle. Und wer sich nun sorgt, dass die Tierwelt von den Spiegelwänden irritiert werden könnten, der sollte wissen: Die Oberfläche ist absichtlich leicht verzerrt, so dass Rehe und Co. die künstlich erzeugte Reflexion wahrnehmen können. Verletzungsgefahr somit ausgeschlossen.
© Andrew Latraille