top of page

Wonderwalls

Graffiti-Stars aus der ganzen Welt verwandeln unscheinbare Dörfer in Gambia in kunterbunte Kunstwerke. Dahinter steckt ein Projekt, das den Tourismus und die Völkerverständigung fördern will. Wir sprachen mit dem Macher hinter der Idee.

Auroville

Graue Wände zum Leben erweckt: Afrikas bunter Alltag inspirierte den Brasilianer Rimon Guimarães zu seinem großformatigen Mural.


Text: Andrea Bierle

 

„Wide Open Walls“ heißt das Kunst-Projekt, für das Lawrence Williams, Engländer und Betreiber der ökologischen „Mandina River Lodges“, seit 2011 Graffitikünstler aus der ganzen Welt in seine Heimat Gambia einlädt. Seine Idee: die grauen Wände in etwas Spektakuläres zu verwandeln und Urlauber für Afrikas kleinstes Land zu begeistern, denn das hat mehr als nur Sonne, Strand und Meer zu bieten. Im Laufe der Zeit verwandelten sich so Galowya und die umliegenden Dörfer in ein farbenfrohe Kunstgalerie – und in ein Mekka der Völkerverständigung.

 

Internationale Graffiti-Stars wie ROA aus Belgien, der in Israel lebende Addam Yekutieli, Eelus aus Brighton oder Remi Rough aus London sind Ihrem Ruf gefolgt und nach Gambia gekommen. Wie haben Sie das geschafft?

Viele Künstler reisen das ganze Jahr von Stadt zu Stadt. Die Möglichkeit, in einer ländlichen, afrikanischen Umgebung zu malen, ist etwas Neues und Spannendes für sie. Sie waren mehr als bereit zu kommen und zu sehen, was Gambia zu bieten hat.

 

Und was ist das genau?Gambia ist ein so schönes kleines Land! Da die Zeitverschiebung von Europa nur eine Stunde ausmacht, hat man trotz Langstreckenflug keinen Jetlag. Aber das eigentliche Argument ist das gambische Volk. Man kann allein dorthin reisen und findet Freunde, sobald man aus dem Flieger steigt. Gerade auf dem Land spürt man die Gemeinschaft. Es ist bereichernd und wunderschön, mit den Kindern oder Ältesten zusammenzusitzen und zu reden. Diese Erfahrung haben auch die Graffiti-Künstler genossen.

 

Gibt es denn eine Graffiti-Kultur in Gambia?

Vor dem Start von „Wide Open Walls“ war Straßenkunst nicht verbreitet, und auch heute noch ist die Szene sehr klein. Ich bin aber froh, dass sich das im Rahmen hält, denn zu viel davon kann einen Ort auch unattraktiv aussehen lassen.

 

Haben die Künstler einfach drauf losgemalt oder gab es ein von Ihnen vorgegebenes Konzept?

Kunst ist etwas sehr Persönliches. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich den Leuten vorschreiben sollte, was sie zu tun haben. Aber viele Dorfbewohner waren am kreativen Prozess beteiligt.

 

Gab es auch Motive, die sie nicht mochten?

Nur einmal gefiel einer Familie das gemalte Bild an ihrem Haus nicht und sie bat darum, es zu entfernen – was wir sofort taten.

 

Als Organisator mussten Sie die Fäden zusammenhalten…

Ja, keine leichte Aufgabe. Mein Job bestand darin, die Künstler mit Farbe, Leitern, Essen und Wasser zu versorgen, sowie den Transport zu organisieren. Am Ende des Tages saßen wir alle zusammen und tauschten uns aus – was funktioniert und was muss anders gemacht werden?

 

Wie viele Wände wurden so zu Kunst?

Das kann ich nicht genau sagen – aber eine Menge! Durch die entstehenden Freundschaften nahm das Projekt seinen ganz eigenen Lauf. Ich erinnere mich an eine Szene, als David Shillinglaw den Imker vom Dorf traf und mit Unmengen Honig in unsere Lodge zurückkehrte. Am nächsten Tag ging er zur Hütte des Mannes und bemalte sie. Es gibt immer noch Gemälde, die ich nur von Fotos kenne, da ich keine Ahnung habe, wo sie entstanden sind.



Unverwechselbar: Leuchtende Farben und große Augen sind typisch für David Shillinglaws Stil. "Es ist unglaublich, das Haus anderer mit deren Zustimmung zu gestalten", sagte der Künstler über seine Teilnahme am Graffiti-Projekt in Gambia. "Aber damit auch einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, ist unbezahlbar." Übrigens: In Hamburg schmückt die 7. Etage des Scandic Hotels eine Arbeit des Malers.

 

Nicht zu übersehen sind die großformatigen Wandgemälde von ROA.

Im ersten Jahr, in dem ROA beim „Wide Open Walls“-Projekt dabei war, malte er Tiere – aber sie kamen wohl eher aus Ostafrika. Im darauffolgenden Jahr malte er also welche aus Gambia. Er ließ die Vögel, Insekten und Reptilien um ihn herum bestimmen, was er auf die Wand brachte. Viele Künstler finden, dass ihre Motive beim zweiten Besuch besser in die Umgebung passten.

 

Einige Bilder sind inzwischen verschwunden. Kommen neue hinzu?

Das Vergängliche liegt in der Natur von Straßenkunst – sie ist nichts Dauerhaftes, und das afrikanische Klima mit seiner ausgeprägten Trocken- und Regenzeit fordert seinen Tribut. Trotzdem kann man noch immer viele Murals sehen. Außerdem ist es auch eine Chance, über Neues nachzudenken.

 

Gibt es Pläne, das Projekt fortzusetzen?

Vor drei Jahren hatte ich einen schlimmen Autounfall. Seitdem befinde ich mich in ärztlicher Behandlung in Großbritannien. Bis ich wieder ganz nach Gambia zurückkehren kann, arbeite ich an einem neuen Konzept. Diesmal soll es größer werden, facettenreicher. Ich bin bereits mit vielen Künstlern im Gespräch. Spätestens 2021 soll es ein Festival geben – mit Kunst, Kultur und Musik.



Die Arbeiten von Remi Rough in Galowya


Remi Rough, britischer Straßen- und Galeriekünstler, über seine Zeit in Galowya:

 

„Ich war zum ersten Mal in Gambia. Die Menschen in den Dörfern waren so warmherzig! Die Kinder brachten uns Mangos, die sie für uns gesammelt hatten. Ich sagte ihnen, wie viel sie in Großbritannien kosten. Sie konnten nicht glauben, dass man dafür zahlen muss. Ich arbeitete auch mit dem bekannten gambischen Künstler Njogu Touray zusammen. Die Einheimischen unterstützten uns, indem sie uns ihre Räume zur Verfügung stellten. Meine Arbeiten sind abstrakt, also habe ich einfach Farben und Formen dort gemalt, wo sie funktionierten. Diese Reise änderte meine Sicht auf die Welt – wie andere leben und wie ich lebe.“

 




bottom of page