top of page

61 Suchergebnisse für „“

  • Hallo Dr. Wald

    Ein Bad im Wald. Auf geht's, Bäume umarmen. Das Immunsystem freut sich. Foto: Michael Kran, Unsplash Text: Stephanie Neubert In Japan gehört Shirin Yoku – zu Deutsch: heilsames Waldbaden – offiziell zur Gesundheitsvorsorge für gestresste Großstädter. Die medizinische Wirkung von Kiefer und Co. auf Körper und Geist wird dort seit Jahrzehnten erforscht. Studien ergaben: Schon nach einer Stunde zwischen grünen Riesen und Vogelgezwitscher sinken nicht nur die Stresshormone im Körper, sondern auch Blutdruck und Pulsfrequenz. Wir werden ruhiger und entspannter, fühlen uns erfrischt und emotional stabiler. Darüber hinaus hat Waldbaden einen positiven Einfluss auf Schlaf und Immunsystem. Doch worin  unterscheidet es sich von einem normalen Spaziergang ? Es geht darum, den Wald und sich selbst zu spüren – mit allen Sinnen, langsam und ohne konkretes Ziel. Die Schuhe ausziehen und den Boden spüren, die Augen schließen, der Umgebung lauschen, tief durchatmen. Diese für unsere Zufriedenheit so wichtige Verbindung mit der Natur ist uns schon lange verloren gegangen. Heute verbringen wir 90 Prozent unserer Lebenszeit in Gebäuden, in immer größer werdenden Städten. Hinzu kommt, dass wir mit einem noch nie dagewesenen Tempo dauerhaft reizüberflutet durchs Leben hetzen und unserem Gehirn keine Pausen gönnen. Im Wald legen wir unsere Rollen ab und können wieder wir selbst sein. Seit einiger Zeit ist der Trend auch in Deutschland angekommen, etwa im Kur- und Heilwald auf Usedom. Hier lernen Gäste, wie sie mit körperlichen oder meditativen Übungen den Wald als Therapiezentrum nutzen. Experten empfehlen dazu, die Natur grundsätzlich mehr in den Alltag zu integrieren. Also statt sich mittags teilnahmslos vor dem Computer ein Sandwich reinzuschieben, lieber raus in den Park gehen. Nur eine halbe Stunde am Tag kann die Selbstheilungskräfte enorm motivieren.

  • Cooler Stoff

    Mit Nadel und Faden lassen sich nicht nur brav Näharbeiten erledigen, sondern verwegen die Grenzen der Kunstwelt herausfordern. Hier kommen Künstler, die auf die Magie textiler Materialien setzen. Alexandra Kehayoglou weist mit ihrer Kunst eindrucksvoll auf die Folgen des Klimawandels hin. Foto: Mike Bink. Text: Bettina Krause Alexandra Kehayoglou: Wilde Wälder Alexandra Kehayoglous Arbeiten sind ein Aufruf gegen die Abholzung und Zerstörung unserer Waldgebiete. Die zum Teil riesigen Werke der 1981 in Buenos Aires geborenen Künstlerin, sind als Warnung vor dem Aussterben der Wildnis zu verstehen und als Kritik an einer Gesellschaft, die sich nicht ausreichend um die drastischen Klimaveränderungen kümmert. Gefertigt sind die textilen Arbeiten aus überschüssigen Materialien in mühsamer Handarbeit; der Entstehungsprozess ihrer Werke ist oft langwierig, erfordert körperliche Anstrengung und eine sehr präzise Technik. Mulyana: Knallbunte Korallen Mulyana ist bekannt für seine farbenfrohen, gehäkelten Korallenwelten und Figuren, die von den Fernsehsendungen seiner Jugend inspiriert sind. Die Werke des 1984 in Indonesien geborenen Künstlers scheinen kleine, wachsende Mikrokosmen zu bilden. In ihnen verbindet Muylana seine Liebe zum Häkeln mit Akribie und dem Wunsch, Geschichten zu erzählen. Seine farbenfrohen Installationen sind als Sinnbild für die globalen, sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit zu verstehen und sollen zu einer neuen Verantwortung gegenüber der Natur und zum gegenseitigen Respekt aller Menschen inspirieren. © Courtesy: Sapar Contemporary und der Künstler Gabriel Dawe: Umgarnt und erleuchtet Das sichtbare Lichtspektrum fasziniert den 1973 in Mexico City geborenen und in Dallas lebenden Künstler Gabriel Dawe. In seinen ortsspezifischen, oft temporär angelegten, großformatigen Arbeiten aus gefärbtem Nähgarn setzt sich der ausgebildete Grafikdesigner, der sich auch für Architektur und Mode begeistert, mit dem Phänomen Licht auseinander. „Plexus“ ist seine bisher bekannteste Serie, deren Name auf die im menschlichen Körper verlaufenden Nervenbahnen verweist. Schon als kleiner Junge interessierte sich Dawe für Handarbeiten – durfte sie aufgrund strenger Geschlechterrollen jedoch nicht erlernen. Heute stellt er mit seinem Werk die traditionelle Einordnung des Garns als Handwerksmaterial eindrucksvoll in Frage. Installation "Plexus" © Gabriel Dawe Nevin Aldağ: Vielfältiger Flickenteppich „Social Fabric“ heißen die Arbeiten der 1972 in der Türkei geborenen und in Berlin lebenden Performance- und Installationskünstlerin Nevin Aldağ. Das Handwerk in Form von Teppichen ist Zentrum der Serie, die verschiedene Textilien collagenartig vereint: geknüpfte Kelims und traditionelle Teppiche aus Schurwolle, Seide oder Sisal. In unterschiedlichen Techniken, mal in Handarbeit, mal als Massenware produziert, bilden die einzelnen Elemente ein Großes Ganzes. Die textilen Werke können als Analogie einer idealen, diversen Gesellschaft verstanden werden, in der jede und jeder gleichberechtigt ist. Faig Ahmed: Alles im Fluß Seine Kunst interpretiert altes Handwerk neu, setzt innovative, visuelle Impulse und dekonstruiert Traditionen ebenso wie Stereotypen: Der 1982 in Aserbaidschan geborene Faig Ahmed kreiert visuell verzerrte, verpixelte oder wie geschmolzen wirkende Orientteppiche in alt hergebrachten Webtechniken, Materialien und Farben und verpasst ihnen eine surrealistische, zeitgenössische Note. In seinen Webe-Arbeiten setzt sich Ahmed mit der Frage nach der Wahrnehmung von Wahrheit sowie der Erschaffung von Wahrheit auseinander.

  • Dosenöffner für alle

    Der Mensch im Zentrum jedes Entwurfs – das sollte eigentlich Gestaltungsprämisse sein. Der Alltag aber ist voll von Gegenständen, die schlicht daran vorbei entworfen wurden. Es sei denn, sie entstanden mithilfe des Human Centered Designs. Über ein Designprinzip, das auch Menschen mit Handicap das Leben erleichtert . Text: Manuel Almeida Vergara  Fotos: Anice Hoachlander, Hoachlander Davis Fotography Eigentlich ist das ja gar nicht so schwer. „If it Needs a Sign, it’s Probably Bad Design“, steht hübsch gereimt auf der Webseite von Donald Norman – „wenn es ein Schild braucht, ist es vermutlich schlechtes Design“. Norman ist emeritierter Professor für Kognitionswissenschaften an der University of California und Professor für Informatik an der Northwestern University. Er schreibt  Bücher, Essays und Kritiken zu gutem, genauso gern aber auch zu schlechtem Design. Und er hat schlicht keine Lust mehr, sich von unglücklich gestalteten Gegenständen den Tag verderben zu lassen. Ziehen sie hier, drücken sie dort, hier auf-, dort zuschrauben …  – und trotzdem dreht und wendet der Nutzer immer wieder in die falsche Richtung. „Woher kommen meine Probleme mit Türen, Lichtschaltern und Wasserhähnen?“, fragte sich Donald Norman einst. „Während wir uns alle selbst die Schuld geben, bleibt die eigentliche Ursache – schlechtes Design – verborgen.“ Für ihn liegt der Schlüssel im Entwurfsprozess. Die Lösung: „Human Centered Design“ (HCD).  Human Centered Design als eigener Terminus – das hört sich erstmal absurd an. Eben weil es so redundant klingt. Unsere Bedürfnisse ins Zentrum jedes Entwurfs zu stellen, sollte Gestaltungsprämisse sein. Der Alltag aber ist voll von Türen, die sich nicht öffnen lassen, Licht, das nicht an geht, Wasser, das zu heiß ist. Die kleinen Ärgernisse des Alltags mögen verkraftbar sein – große Planung sind sie aber nicht. Als Gegenprogramm ist Human Centered Design also in erster Linie nutzerorientierte Gestaltung. Als komplexes System knüpft es das Design an Solzialwissenschaften und Kulturtheorie. Einen wirklichen Konsens gibt es in der Branche nicht, in der Praxis wird HCD allerdings meist in die fünf Arbeitsschritte „Empathize“, „Define“, „Ideate“, „Prototype“ und „Test“ gegliedert. Forschungsmethoden, um tatsächliche Nutzerbedürfnisse zu identifizieren, sind genauso Teil des Entwurfsprozesses wie die kulturwissenschaftliche Reflexion. Das hört sich erstmal schwer nach Dieter Rams an. „Gestaltung ist Denkarbeit“, sagte der legendäre Industriedesigner einmal. Nur dass HCD eben nicht allein auf die Gedankenwelt des Gestalters vertraut, die Ideen von Designer oder Architekt sind diesem System lange nicht genug. Es geht vielmehr um partizipative Gestaltung, die sich über sämtliche Disziplinen hinweg skalieren lässt. Der Mensch als Adressat – sei es als Nutzer eines Dosenöffners oder als Bewohner eines neuen Stadtviertels – wird in den Gestaltungsprozess konsequent einbezogen. Besonders interessant wird diese Facette gerade dann, wenn die Bedürfnisse vielschichtig und anspruchsvoll sind. Lange bevor Human Centered Design als Schlagwort in Architekturbüros und Designstudios die Runde machte, wendete Seiichi Miyake das Prinzip der direkten Einbeziehung an. Akribisch studierte der Japaner Eigenschaften und Bedürfnisse eines blinden Freundes, bevor er 1965 sein Blindenleitsystem erfand. Nur zwei Jahre nach der Entwicklung wurde eine ganze Blindenschule in Okayama mit Miyakes Leitsystem ausgestattet, heute finden sich die Noppen und Rillen, die Menschen mit beeinträchtigter Sehkraft den Weg weisen, auf Bahnhöfen und in öffentlichen Gebäuden auf der ganzen Welt. Dabei wird Taubheit nicht als Behinderung begriffen - sondern als eine Kultur der vier anderen Sinne. HCD ist also letztlich ein Zugeständnis an die Vielfalt der Menschen. Eben weil es durch den Fokus auf verschiedene Lebensrealitäten die Individualität zum Ideal erhebt. Nach dem System des Human Centered Designs etwa wurden auch umfassende Renovierungsarbeiten an der Gallaudet University in Washington durchgeführt. Gaullaudet ist seit ihrer Gründung 1857 die einzige Universität, die sich ganzheitlich an gehörlose und gehörgeschädigte Studierende richtet. Bei vielen von ihnen kommen Probleme mit dem Sehen, mit der Mobilität oder Bewegungsfähigkeit hinzu. Zur Erarbeitung neuer Raumkonzepte gründete Hansel Bauman 2006 das „DeafSpace Project“. Gemeinsam mit einer möglichst diversen Gruppe Studierender entwickelte der Campus-Architekt Richtlinien, die „sozialräumliche Muster gehörloser Erfahrungswelten entschlüsseln“, wie er es etwas sperrig umschreibt. Entstanden ist letztlich ein Handbuch, nach dem alle weiteren baulichen Veränderungen und Erweiterungen an der Schule erarbeitet und umgesetzt werden. Lichtkonzepte und Bodenmaterialien, über die via Vibration mit den Studierenden kommuniziert werden können, sind genauso Teil des renovierten Studentenwohnheims wie harte Oberflächen, die Echos stärker zurückwerfen und so sehbeeinträchtigten Studierenden die Orientierung erleichtern. Gut gestaltete Rampen für Rollstuhlfahrer sind ohnehin in jedem Gebäude der Universität Standard, starke farbliche Kontraste und klare Raumkonzepte sollen alle Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intuitiv durch die Gebäude führen.  Links: Drinnen und draußen: Einem umfassenden Handbuch folgend werden alle Renovierungsarbeiten an der Gallaudet University durchgeführt. / Rechts: Form und Förmlichkeit: Organische Linien bestimmen das Interieur. Die Einzigartigkeit des Menschen versteht Architekt Bauman denn auch nicht als Herausforderung, sondern als Chance, wenn er sagt: „ Hörgeschädigte stellen die Idee eines universellen Designs infrage – und antworten mit einem radikal inklusiven Gestaltungsprozess.“ Noch so ein sperriger Satz. Dabei geht es doch viel einfacher: „Gutes Design ist im Grunde viel schwerer zu erkennen als schlechtes Design“, sagte Donald Norman einmal. „Eben weil gutes Design unseren Bedürfnissen so sehr entspricht, dass es unsichtbar wird.“ Links: Hören und Handeln: Harte Oberflächen werfen Echos stärker zurück und erleichtern Hörgeschädigten so die Orientierung. / Rechts: Leben und Lernen: Einige Vorlesungsräume und das Studierendenwohnheim folgen dem Human Centered Design. Auch der preisgekrönte Amerikanische Architekt und Designer Todd Ray folgt den Grundsätzen des HCD Herr Ray, warum braucht es den Terminus „Human Centered Design“? Eigentlich geht es bei der Gestaltung doch immer um den Menschen. Das sollte es zumindest. Aber Menschen sind eben nicht gleich, und Human Centered Design ist ein Aufruf an alle Designer, sich dieser Realität zu stellen. Wie stellen sie sich als Architekt denn selbst dieser Vielfalt, wenn sie neue Projekte angehen? Quantitativ geht es in einer ersten Phase darum, die Grundbedürfnisse und Wünsche der künftigen Nutzer klar zu erfassen. Qualitativ wollen wir immer eine sensorisch reichhaltige Architektur entwickeln – visuell, auditiv, haptisch, olfaktorisch, nach Möglichkeit sogar schmackhaft. Verschiedene Geschmäcker und Eigenschaften unserer Klienten dafür einzubeziehen, ist die Basis für all unser entwerferisches Handeln. Primäres Ziel unserer Architekturen ist, möglichst vielen Menschen die Navigation, das Verstehen und die Zugänglichkeit der Räume zu erleichtern. Das kann bedeuten, dass wir mit viel warmem Tageslicht arbeiten, um etwa taubstummen Menschen eine sichere Kommunikation mittels der Zeichensprache zu garantieren, ohne etwa von hartem Licht geblendet zu werden. Oder wir beziehen Echos ein, die bestimmte Materialien und Proportionen verstärken oder schwächen können, um blinden Menschen die Orientierung im Raum zu erleichtern. Ähnlich werden auch die Renovierungsarbeiten an der Gallaudet University durchgeführt, an denen sie als Architekt beteiligt sind. Das ist ein gutes Beispiel für erfolgreiches Human Centered Design, weil sich die Arbeiten speziell an den besonderen Bedürfnissen gehörloser oder gehörgeschädigter Studierender orientiert. Dabei wird Taubheit nicht als Behinderung begriffen – sondern als eine Kultur der vier anderen Sinne. Das hört sich nach richtigem Denksport an. Laufen sie bei so viel Theorie nicht Gefahr, das zu vernachlässigen, was für gutes Design unabdingbar ist? Sie meinen sicher die Attraktivität der Räume oder Produkte. Es ginge wohl zu weit, hier über die Frage zu sprechen, was Schönheit eigentlich ist. Fest steht aber, dass sich das Konzept der Schönheit historisch betrachtet in Korrespondenz mit Philosophie, Technologie und Wirtschaft ohnehin immer wieder verändert hat. Ich glaube, dass Schönheit gerade heute kein exklusives Ideal mehr ist oder sich allein über Oberfläche und Form definiert. Beim Human Centered Design geht es also eher um den Inhalt, um den Entstehungsprozess – und nicht nur um das hübsch gestaltete Produkt. Richtig. Die Welt ist doch voll von Gebäuden und Dingen, die einfach nicht funktionieren. Vom Schulgebäude bis zum Pizzaschneider. Das mögen alles schöne Sachen sein. Aber ich finde es richtig ärgerlich, wie oft Gestalter von den Nutzern erwarten, sich ihren Ideen anzupassen – statt sich umgekehrt intensiv mit den Nutzern auseinanderzusetzen, um ihnen etwas Funktionelles zu geben. Das im besten Fall noch richtig schön anzusehen ist.

  • Unterwegs in anderen Welten

    Sie reist in Kriegsgebiete oder dreht in Flüchtlingslagern, um denen eine Stimme zu geben, die sonst nicht gehört werden. Im neuen Werk der Deutschen Filmemacherin Lucy Martens geht es weitaus friedlicher zu: 12 Anführer Indigener Stämme erzählen, warum wir unsere Welt anders schätzen lernen sollten. Ein Treffen mit einer Frau, die verdient, gehört und gesehen zu werden © Tinko Czetwertynski Text: Andrea Richter  Fotos: Anice Hoachlander, Hoachlander Davis Fotography Im siebten Stock des stilwerk Designcenters ist eine große Leinwand aufgebaut, erwartungsvolle Blicke richten sich auf die blonde Frau davor. Sie trägt legere Jeans, darüber ein schlichtes weißes Hemd, am Handgelenk silberne Armbänder. Das lange Haar umrahmt ihren strahlenden Blick. Sie lächelt, als sie das Publikum auffordert, den nachfolgenden Film mit dem Herzen zu sehen. Als Meditation. Einer der Zuschauer runzelt die Stirn. Lucy Martens hat für ihre Dokumentation „The Twelve“ zwölf Länder bereist, um dort die Ältesten Indigener Stämme nach dem Zustand unserer Erde zu befragen. Die Antworten, die sie von den „zwölf Weisen“ bekam, sind wenig überraschend, auch wenn wir sie vielleicht anders formulieren würden. Dass unsere Mutter Erde krank sei, dass sie leide unter unserer Gier, unserem Drang, die Natur immer weiter auszubeuten und damit in nächster Zukunft völlig zu zerstören. Der Film zeigt eindringliche Szenen von unberührter Natur, von Menschen mit bemalten Gesichtern und Federn im Ohr, von lachenden Kindern fernab von Smartphone und Playstation. Ein quasi-paradiesischer Zustand, der umso stärker wirkt, als er mit nur wenigen Bildern von vermüllten städtischen Brachen irgendwo in Südamerika kontrastiert wird. Ihr Werk sei durch Crowdfunding finanziert worden, erzählt die Dokumentarfilmerin, die „The Twelve“ im Rahmen einer Pre-Show-Tour bekannt machen will. Einen Verleih wird der Film nicht bekommen. Die in London lebende Filmemacherin hofft, dass die Botschaft der Indigenen so möglichst viele Menschen erreicht.Der irritierte Zuschauer von eben guckt nun gebannt auf die Leinwand, als die Kamera, verstärkt von eindringlichen Klaviertönen und Geigen die zwölf Weisen nach New York begleitet. 2017 zelebrierten sie im Gebäude der Vereinten Nationen, weitestgehend unbemerkt vom politischen Tagesgeschäft, ein Ritual, das durch Gesänge, Tänze und dem Verbrennen von Räucherwerk unsere Erde heilen soll.   „The Twelve“ überrascht angesichts der Filmografie von Lucy Martens. Die 39-Jährige wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet für ihre intensiven Reportagen. Etwa „Women, War & Peace“, eine eisenharte, hochpolitische Arbeit über die Gewalt, der Frauen in bewaffneten Konflikten ausgesetzt sind. Oder die BBC-Dokumentation „Out oft the Ashes“ über das afghanische Cricket-Team, das aus den Flüchtlingslagern zur Weltmeisterschaft reist. Ein Film, der auf eine sehr realitätsnahe und gleichzeitig humorige Art Menschen zeigt, die versuchen, nach Jahren des Krieges zu einer Art Normalität zurückzufinden. In vielen ihrer Werke geht es um Brutalität und Gewalt, um bewaffnete Konflikte, Hunger und Tod. Die Entscheidung, Dokumentationen zu drehen habe sie getroffen, nachdem sie eine Reportage über die chinesischen Sterbezimmer gesehen hatte, erzählt Martens. Damals sei sie gerade 18 gewesen, kurz nach dem Abitur in Hamburg. Nach dem Film-Studium in London und drei Jahren in Dubai reiste sie für eine Arbeit über Friedensaktivisten nach Palästina, es folgten Produktionen für PBS in den USA, die BBC und Organisationen in Somalia oder Syrien. „The Twelve“ scheint eine radikale Abkehr von den grausamen Bildern der Krisenregionen zu sein, ein visueller Gegenentwurf zu unserer perspektivlosen Selbstzerstörung. Doch der Film betört nicht nur durch wunderschöne Bilder, er schürt auch die leise Hoffnung, es könne doch noch einen Ausweg aus der menschengemachten Katastrophe geben. Tief beeindruckt sei sie von der Spiritualität der Indigenen gewesen, berichtet die Filmemacherin, die Arbeit habe sie stark verändert, sie selbst sei dadurch offener geworden für die Natur und die Dinge jenseits von Himmel und Erde. Doch nicht jeder sei so empfänglich für spirituelle Ideen wie etwa die Kalifornier, erzählt sie. In Hamburg fragt ein jüngerer Mann im T-Shirt zaghaft, ob wir es uns nicht zu einfach machen würden, wenn wir glaubten, dass zwölf Naturvolk-Leader unseren Planeten retten könnten? Und eine ältere Dame erkundigt sich besorgt, ob die Medizinmänner und -frauen denn wenigstens Nachfolger hätten – sie seien ja alle schon etwas älter? Lucy Martens lächelt. Der Film, sagt sie, sei eine Aufforderung, bei sich selbst anzufangen und dadurch mitzuwirken an der Veränderung. Oben links: Ängste und Unsicherheiten kennt die Lucy Martens durchaus. "Aber eher im Privaten, niemals auf meinen Reisen" / Oben rechts: Beauty-Treatment der etwas anderen Art: Für ihre Arbeit lebte Martens zwei Monate lang bei indigenen Völkern / Unten links: Mit Kindern verbindet Lucy Martens die Neugier auf alles, was neu und unbekannt ist. / Unten rechts: Gut geerdet: Um sich zuhause zu fühlen, braucht die Filmemacherin nicht viel. Am wichtigsten: nette Leute um sich herum. „The Twelve“ ist ein eher leiser Film. Aber er hat eine große Intensität, nicht zuletzt, weil er uns die Intensität eines Lebens mit der Natur aufzeigt. Was bedeutet dir die Natur? Ich habe erst durch meine Arbeit wirklich verstanden, wie sehr wir mit der Natur verbunden sind und dass wir sie schützen müssen. Früher war Natur immer ein bisschen schwierig für mich – in der Stadt kann man sich ja sehr gut ablenken. Heute finde ich Ruhe in ihr.   Du hast für eine Doku zwei Jahre mit Indigenen zusammengelebt. Wie war das? Wir waren bei den Lakota in South Dakota. Es ging um einen Medizinmann, der vor seinem Tod sein Wissen noch an die nächste Generation weitergeben wollte. Allerdings war er Alkoholiker und drogenabhängig und alle seine Kinder auch. Er hat etwa versucht, ihnen die Funktion der Schwitzhütte und bestimmte Lieder zu erklären. Und er wollte sie eigentlich noch auf einen Vision Quest schicken; das ist, wenn man bis zu vier Tage allein auf einem Berg sitzt und Visionen bekommt. Doch der Krebs war schneller. Der Film hieß „The Sacred and the Profane“, weil der Medizinmann auch diese profane Seite hatte – er war spirituell, aber aggressiv. Ein schwieriges Thema und auch sehr traurig. Ich wollte zeigen, dass den Indigenen nichts bleibt außer Alkohol, wenn man ihnen ihr Land wegnimmt und ihre Tradition. Das ist eine leise Form von Genozid.   Du hast viele Filme in Krisenregionen gedreht, Afrika, Naher Osten, Afghanistan. Was zieht dich dort hin? Ich dachte, wenn ich Geschichten von dort erzähle, kann ich Brücken bauen und auf Konflikte und Ungerechtigkeiten in diesen Ländern aufmerksam machen. Ich wollte dorthin, um zu verstehen, was es bedeutet, in einem Kriegsgebiet zu leben. Gerade Afghanistan war wie auf dem Mond landen. Es war so weit weg damals, weil es kaum Internet gab. Insofern war es wie eine Befreiung – ganz weit weg zu sein von dem, was man kennt. Zu spüren, wieviel herzlicher und gastfreundlicher die Menschen dort sind und wie sehr die Familie geschätzt wird, fand ich berührend. Die Nachrichten sind immer sehr einseitig. Dokumentarfilme können Geschichten erzählen über Menschen, deren Stimme man nicht so oft hört.   Was war die gefährlichste Situation, in der du je bei den Drehs warst? Als ich das erste Mal in Afghanistan war, wurden wir überfallen. Wir waren zu spät losgefahrenen und es dunkelte schon, als von allen Seiten bewaffnete Männer auftauchten. Zum Glück war das Licht im Auto kaputt und sie haben nur mein Portemonnaie und meinen Pass mitgenommen. Nachdem sie verschwunden waren, wollten wir schnell weg, aber das Auto ist liegen geblieben, und wir mussten zu Fuß weiter. Das war ein Schock. Ich habe in der Situation eigentlich nur abgeschaltet und mir gesagt, wir müssen da jetzt durch. Ein Bus mit einer Gruppe afghanischer Männer hat uns nach Kabul gebracht haben. Die deutsche Botschaft dort war nicht sehr hilfreich, weil ich kein Arbeitsvisum hatte. In dem Moment wollte ich nur noch zurück, aber später bin ich wieder hingefahren.   Du wirkst sehr stark. Bist du jemand, der immer auf volles Risiko geht? Ja, ich mag Herausforderungen und gehe auch oft Risiken ein. Ich habe immer das Gefühl, das schon alles gut gehen wird. In London fahre ich meist ohne Helm und ohne Licht – ziemlich bescheuert. Und natürlich habe ich auch Ängste oder Unsicherheiten, die wir alle haben. Nur wenn es ums Reisen geht, habe ich wenig Angst.   Du bist für deine Filme oft wochenlang im Ausland. Wie sieht dein Zuhause aus? Das verändert sich immer wieder. Zur Zeit lebe ich gerade in London bei einer Familie, die mich aufgenommen hat. Ich brauche nur ein Zimmer, wo ich die Tür zumachen und meine Ruhe haben kann. Und nette Menschen um mich herum. Für mich ist zu Hause, wo Freunde sind und wo ich gerade bin. Ich glaube, solange man keinen Lebenspartner oder Kinder hat, ist alles im Transit.   Gibt es Dinge, die dich immer begleiten? Ich habe eine Playlist, die mich irgendwie erdet. Und immer etwas Smartes dabei für besondere Anlässe, eine Kette oder ein Kleidchen, das ich ins Gepäck stopfe. Aber eigentlich hänge ich nicht so sehr an Sachen, weil ich immer wahnsinnig viel verliere. Wie wichtig sind dir Besitz und Geld?   Geld ist mir schon wichtig, weil es Freiheit bedeutet. Zurzeit arbeite ich mit der Le Ciel Foundation zusammen. Da wir eine ziemlich neue Organisation sind, müssen wir Fundraising betreiben. Wir haben uns jetzt zweieinhalb Jahre kein Gehalt ausgezahlt, arbeiten alle fulltime und machen nebenher Jobs, um zu überleben. Das war zeitweise sehr hart, aber auch eine interessante Erfahrung: total pleite zu sein und nachdenken zu müsen, was man wirklich braucht. Man lernt, Geld anders zu schätzen. Dok-Film ist ja auch kein Job, mit dem du reich wirst. Aber ich brauche nun einmal Geld, um mobil zu sein. Doch ich gewöhne mich allmählich daran, dass ich nicht überall mitmachen kann. Verzicht kann auch etwas Positives haben.   Dein Film ist auch Kapitalismuskritik. Glaubst du, dass es eine Form von Konsum gibt, die uns weiterbringt, statt die Erde zu zerstören? Ich glaube, das Geld und Konsum nichts Schlechtes sind, wenn man bewusst konsumiert. Das Problem mit dem Kapitalismus ist, dass Leute, die Geld haben, immer mehr anhäufen, und andere gehen leer aus. Geld muss in Fluss sein. Ich glaube, dass Bewusstseinserweiterung das Wichtigste ist. Weil man dann auch sein Umfeld anders sieht und vielleicht anfängt, sein Konsumverhalten zu ändern und zu merken, dass man keine 14 Handtaschen braucht. Das A und O ist, dass wir bei uns selbst anfangen.    Hast du Ziele für dein Leben?  Ich möchte irgendwann bei mir angekommen sein, so weit, dass ich sagen kann, es ist ok, wer ich bin. Dann ist eh alles gut. Und ich möchte weiter an Projekten arbeiten, die etwas bewirken. Ich habe mittlerweile so viel gesehen, dass ich merke, es muss nicht immer die Reise nach außen sein; die Reise nach innen ist auch total spannend und wichtig.

  • Über Orts-Veränderungen

    stilwerk Magazin Kolumnist Bazon Brock schreibt über das Gespür für den besonderen Ort und wann diese Wirklichkeit werden.      Text: Bazon Brock Seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Orientierung des bildungswilligen Europäers auf den Instinkt für den genius loci (Gespür für den besonderen Ort) verpflichtend. Junge Adlige, Dichter und Maler, Heilsucher und Heilungsucher reisten durch den Kontinent, weil sie sich dem günstigsten Einfluss des Klimas, der „Gesteinsmacht“, der Strahlkraft von Licht und Landschaft und der authentischen Auftrittsorte „großer Geister“ aussetzen wollten. Und der günstigste erwartbare Effekt war, vom Geist des Ortes ergriffen und verändert zu werden. Heute nennt man das „Eintauchen in ein überwältigendes Erlebnis“ am fernen Sehnsuchtsort, dessen Magie man in Trink- und Massagekuren, erdmagnetischen Wanderungen, Badekulten, Atemübungen und Souvernir-Kauf habhaft werden könne.   Mit dem Begriff „Exotik“ kennzeichnet der von Thomas Cook begründete Massentourismus die Erwartung von Wirkung des genius loci. Der Glaube an die Kraft der Ferne, den Tapetenwechsel, die magische Verwandlung am speziellen Ort ließ sich durch keinerlei kabarettistische Entzauberung, genannt Aufklärung, stören; selbst Kinderspott der Art „An diesem Ort herrscht ein besonderer Geist, der Nutzer in die Nacktheit beißt“ konnte durch die Gleichsetzung vom besonderem Ort als Lokus/Klosett und locus des Genies, des Geistes, der Spiritualität kaum beeinträchtigt werden. Im Gegenteil, die Geschichten über spukende Geister in Schlössern und Ruinen beflügelten die Erlebniserwartung. Gegenwärtig unterstützt man den Glauben an die Kraft des besonderen Ortes mit modernster Technologie. Selbst Einrichtungshäuser lassen das günstigste Feng Shui, die Raumharmonie, errechnen. Auspendler, Rutengänger, magnetismus-sensible Naturheilkundige beeinflussen die Einrichtung selbst von Sozialräumen in naturwissenschaftlichen Institutionen und Krankenhäusern der westlichen Medizinversorgung.   Glaube und Wissen sind keine Gegensätze mehr, denn schließlich hat selbst Erwin Schrödinger, das Mathematikgenie des 20. Jahrhunderts, bekundet, Magie, also Placebos, wirke auch dann, wenn man nicht an sie glaubt. Ich nenne das die normative, also handlungsbestimmende Kraft des Kontrafaktischen, also des nicht objektiv Gegebenen oder Nachweisbaren. Kontrafakte sind eben Placebos. Zu ihnen gehört die Orientierung auf Gott oder Götter, auf kulturelle Identität, auf Rasse oder Blutreinheit, auf den Weltgeist oder Geist der Zeit. Offenbar gibt es sogar einen besonderen Ort, der für alle Menschen aller Zeiten gleich war und gleich ist und gleich bleibt. Dieser besondere Ort ist die Heimat. Man kann aus ihrem geografischen Ort vertrieben werden, er kann zerstört werden – an der Wirksamkeit der Macht der Heimat ändert das nichts, im Gegenteil. Dass Kontrafaktizität für alle Menschen das bedeutendstes Faktum ist, erkennt man durch den einfachen Hinweis, dass es Landschaften nicht gibt wie es Berge, Bäume, Büsche gibt, dass es Kunstwerke nicht gibt, wie es mit Farben versehene Leinwände oder bearbeitetes Holz, Metall oder Marmor „wirklich“ gibt. Denn was immer Menschen für wirklich halten, wird wirklich durch die Konsequenzen des Dafürhaltens. Das haben die angeblich der Rationalität verpflichteten Europäer vergessen und wundern sich über Gottsucherbanden wie Al-Qaida oder ISIS, über Lourdes-Pilger und evangelikale Massensuggestion, über Werbewirkung dümmster Sprüche oder Zukunftsversprechen geltungsgeiler Pseudo-Wissenschaftler, über Horoskope in der Tagespresse und Parteiversprechen. So geht der Kampf um die Heimaten, die Bewertung der Rasse, die Geburtsorte der Heiligen, der Führer und Genies munter weiter. Die Eroberung und Sicherung von heiligen Stätten, Historienfetischismus und Produktwerbung sind durch keinen Einspruch abzuwenden, höchstens abzuschwächen. Jeder Ort ist der besondere Ort, an dem sich das sozialpsychologische Grundgesetz als Thomas-Theorem beweist: „If men define situations as real, they are real in their consequences.“   Über Bazon Brock Bazon Brock bezeichnet sich gern als Denker im Dienst und Künstler ohne Werk. Er ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal, darunter das Institut für Gerüchteverbreitung und eines für theoretische Kunst, das Labor für Universalpoesie und Prognostik, das Büro für Evidenzkritik, das Pathosinstitut Anderer Zustand und die Prophetenschule. Seit 2011 betreibt er die Denkerei / Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand  mit Sitz in Berlin.

  • Jetzt wird aufgeräumt!

    Im Haus, am Strand, im Leben und Geist - die Welt ist im Clean-up-Wahn. Woher kommt die neue Entsorgungskultur, und was bringt sie mit sich? Ein geordneten Überblick mit einer aufgeräumten Hauptdarstellerin: Marie Kondo.     Text: Silke Roth Es war Anfang des Jahres 2019, als eine Japanerin plötzlich beim Streaming-Dienst Netflix aufflackerte und ganz Deutschland in die Welt von „Aufräumen mit Marie Kondo“ holte. Auf den ersten Blick eine amerikanische Show, mit echten Menschen inszeniert, die den „Wir entrümpeln“-Effekt über acht Folgen durchspielt. Ratgeber-Sendungen mit prominenten Shopping-Coaches, Fitness-Trainern oder Schuldenberatern sind ein dankbares Format. Doch die Tipps der Ordnungskaiserin Marie Kondo flimmern nicht einfach als Entertainment über den Bildschirm. Die Serie wird zum Riesenerfolg: An nur wenigen Netflix-Usern gehen die Kondoschen Tipps zur Selbststrukturieung vorbei. An regnerischen Sonntagen beschließen nun Paare, Familien und Wohngemeinschaften, den heimischen Kleiderschrank von Grund auf neu zu sortierten. Marie Kondos Aufräumstrategie ist der Ordnungsratgeber, auf den Normalsterbliche anscheinend gewartet haben. Sie dringt genau zur richtigen Zeit in die dunklen Ecken des persönlichen Umfelds, die längst nicht mehr ohne fremde Hilfe zu bewältigen sind. Unschuldig und fast ein wenig schüchtern klopft Kondo in den einzelnen Folgen an die Türen von kalifornischen Haushalten. Sauber gebügeltes Outfit, euphorisch, warmherzig und stets eine Übersetzerin an der Seite. Ihre Mission ist einfach: erst ausmisten, dann aktiv und mit geordnetem Geist neue Wege gehen.     Marie Kondo ist 34 Jahre alt und hat ihr Leben dem Chaos gewidmet. Weniger ihrem eigenen, das hatte sie bereits im Vorschulalter durchsortiert, nein, vielmehr dem von konsumgeplagten Amerikanern. Etwa einer Witwe, die es nach dem Tod ihres Mannes nicht übers Herz bringt, seine Sachen zu entrümpeln, gestressten Eltern, die ihre Beziehung und das Haus vernachlässigen, oder eines Künstlerpaares, das für den ersten Besuch der Schwiegereltern gewappnet sein möchte. Was schnell klar wird - Kondo räumt nicht nur materielle Dinge aus dem Weg. Psychologisch gräbt sie das Leben ihrer Kunden um, wühlt Konflikte auf, lässt Tränen zu und hilft. Wie sie das macht? Mit spielerischen, fast religiösen Ritualen. Beispielsweise einem Ruhemoment in dem man sich für das bedankt, was man besitzt. Für die schützenden Wände, die warmen Räumen, die Menschen, die darin leben, den Dienst, den das Kleidungsstück jeden Tag erbracht hat. Danke, ihr Socken, ihr Schuhe, du gute Haustür! Dann stellt sie klar: „Wir sortieren nicht nach Umgebung, sondern nach Kategorien.“ Phase eins betrifft die Kleidung, Phase zwei alle Bücher, Phase drei Küche, Bad und Garage, in Phase vier ist der Papierkram dran, und zuletzt geht es den sentimentalen Dingen an den Kragen. Alles muss schnell gehen: Zuerst wird ein großer Haufen gemacht, dann weggeschmissen. Sachen, die bleiben, bekommen einen ausgewählten Platz.     Was in den Kleiderschrank zurück soll, wird mit Geduld und Selbstdisziplin nach spezieller Falttechnik aufgerollt. Danach wird alles so gestapelt, dass man glaubt, man baue einen Tempel, der in sich so stabil ist, dass er niemals wieder umfallen wird. Spätestens jetzt springt man als Zuschauer auf, reißt Schubladen heraus und probiert mit zu rollen – Hosen, Socken, T-Shirts, Erinnerungsstücke. Ihre „Konmari“-Methoden, hat die Japanerin längst zur Marke gemacht. Ihre Art, Überblick und Freude in der Ordnung zu sehen, lässt sie sich teuer bezahlen. Sie lebt nicht mehr in Japan, sondern mit zwei Kindern und Ehemann in Los Angeles. Sie schult Google-Mitarbeiter, bildet Clean-up-Coaches aus und verkaufte über sieben Millionen Bücher – übrigens in 27 Sprachen, auch wenn Kondo selbst nur Japanisch und gebrochenes Englisch spricht.    Wer sich für den Unterbau des Manifests interessiert, findet Hinweise in der Netflix-Serie selbst. Ein Hauch Shintoismus weht hindurch, wenn sie Pullovern einen Geist zuspricht oder auf Bücher klopft, bevor sie entsorgt werden. Kondo selbst hat einige Jahre in einem Shinto-Schrein gearbeitet. Die japanische Religion könnte auch der Grund dafür sein, dass sie bei sentimentalen Stücken die wiederkehrende Frage stellt: „Does it spark joy?“ (zu Deutsch: „Spüren sie noch Herzklopfen oder ein bestimmtes Glücksgefühl“). Wenn der Gegenstand nichts auslöst, muss er gehen. Nach getaner Arbeit der Serien-Protagonisten sind die Müllsäcke voll und mancher Zuseher den Tränen nahe. In den USA spricht man mittlerweile sogar von einem Verb: " to kondo ". Klar Schiff machen und anschließend in der Leere glücklich sein.    In einer US-Zeitschrift wurde Kondo als Zen-Version von Aristoteles beschrieben, weil sie das Glück zum Ziel des guten Leben erklärt. Doch warum passt die Sehnsucht nach dem Urzustand, den alten Werten, so gut in unsere Zeit? Warum ist Chaos der erklärte Feind? Weil die moderne Welt im Off- und Online-Modus ein nicht einsehbares Durcheinander ist. Wo früher vom kreativen Chaos gesprochen wurde, rümpfen Kreative heute die Stirn. In Agenturen dominiert die „Clean Desk Policy“. Abends wird der Schreibtisch sauber verlassen, persönliche Dinge haben hier nichts zu suchen. Kein Kaffeebecher, keine Fotogalerie, keine Handcreme. Apple-Store-Ästhetik ist das Maß aller Dinge. Nichts stört die geistigen und digitalen Ressourcen, um am nächsten Tag frische Ideen aufs Papier zu bringen.    Im minimalistischen Schweden begegnet man der Disziplin einer Marie Kondo und der neuen Nüchternheit mit einem noch radikaleren Trend: „Death Cleaning“. Autorin Margareta Magnusson schrieb in ihren Ratgebern zum ersten Mal über das Ausmisten und Ordnen, als würde man morgen sterben. Nun ist Magnusson 85 Jahre alt und hat allein deshalb Grund, darüber nachzudenken. Doch in Skandinavien findet die Methode besonders bei Menschen unter 40 Zuspruch. Das schwedische Wort „Döstädning“ steht für eine Kombination aus den Wörtern „sterben“ und „Sauberkeit“. Ansammeln von Dingen in Schubladen ist verboten. Auch wenn es morbide klingt, berichten die meisten darüber, wieviel leichter und befreiter es sich nach Döstädning lebt.   Links: Better Beach Alliance: Surflabel Reef und die internationale Surf—rider Foundation machen gemeinsame Sache. Statt Hang Loose säubern sie ihren Lieblingsspot auf Teneriffa / Rechts: Weniger ist mehr: „The Minimalists” alias Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus haben nach eigenen Angaben schon mehr als 20 Millionen Menschen geholfen, mit weniger Besitz viel glücklicher zu sein. Ihr Podcast „The minimalst“ zählt zu den beliebtesten im Bereich Gesundheit.     Bewusster Verzicht und materielle Rückbesinnung sind also keine Altersfrage. Detox-Behandlungen, Clean-Eating-Gastronomie und die Verbannung von Plastik begegnen uns täglich. Milchprodukte, Fleisch und Strohhalme waren bis vor kurzem noch salonfähig. Heute lunchen Hipster in veganen Bistros, trinken Hafermilch und rühren ihren Gin Tonic mit essbaren Stäbchen. Wo früher wilde Strandpartys gefeiert wurden, sammelt man heute Plastikmüll ein. Beach Clubs waren gestern, man trifft sich diesen Sommer am Strand zu Clean-up-Aktionen. Wer seinen materiellen Besitz runterschraubt und Bedürfnisse auf das Mindeste reduziert, lebt im Luxus von morgen. Möchte man diese Entwicklung im großen Ganzen verstehen, rät es sich, sich wieder beim bekannten Streaming-Dienst umzusehen. Die Dokumentation „ Minimalism: A Documentary About the Important Things“ wurde bereits 2016 gedreht und beleuchtet einprägsam Gründe und Folgen des amerikanischen Konsumverhaltens. Mehr zu besitzen, galt als Gleichung für ein besseres Leben; Status, Karriere und Geld untermauern den amerikanischen Traum. Regisseur Matt D'Avella stellt die Theorie in Frage. Dafür begleitet er die beiden bekennenden Minimalisten Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus auf ihrer Reise durch die USA. Sie sind für ein Jahr auf Promotion-Tour mit ihrem Buch „Everything that remains“ (Alles, was bleibt) unterwegs – und natürlich wenig Gepäck. Während der Film zeigt, wie die beiden ihre Philosophie vor wenig Interessierten verbreiten, werden immer wieder harte Fakten eingestreut: Warum leben Industrienationen heute im größten Wohlstand und sind unzufriedener denn je? Warum bekommen wir nach acht Wochen ein schlechtes Gewissen, wenn wir uns nicht mit etwas Materiellem belohnen? Man erkennt schnell, wie sinnlos das Leben wird, wenn man sich an Besitz bindet. Nach einer Stunde und 19 Minuten möchte man als Zuschauer alles loswerden, was nicht glücklich macht. Ein großes Ziel für jeden Einzelnen, ein noch größeres für Amerika.    Unwahrscheinlich bleibt es dennoch nicht. Sollte der amerikanische Traum in den nächsten Jahren umgeschrieben werden, nehmen sich Maria Kondo und ihre Übersetzer sich dem Phänomen sicherlich an. Aber zuerst muss jeder bei sich selbst wühlen. Die Ordnung der Dinge beginnt im Kleinen.

  • #einefragedesdesigns Sabine Rabe

    Sabine Rabe ist Inhaberin vom Hamburger Büro Rabe Landschaften | Arge Studio Urbane Landschaften - b. Bevor die Architektin bei unserem Netzwerkformat ReFraming Architecture zu Gast ist, haben wir mit ihr über Designlieblinge, neueste Projekte und kreative Orte gesprochen. „Wenn ich träumen darf, würde jede Straße ein Park werden.“ Dieses Zitat, das Sabine Rabe im Interview in der taz tageszeitung vom 27.01.2022 über die Umnutzung von kargen Straßenräumen zu lebendigen Orten äußerte, zeigt, wofür das Herz der Wahl-Hamburgerin schlägt: Grüne Räume, Pflanzen, Natur. Und das war schon immer so. Der Wunsch Flüsse zu renaturieren könnte schließlich als Initialzündung zu ihrem heutigen Beruf gedeutet werden, aber dazu später mehr. Zunächst zur Person: Nach ihrem Studium der Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der Leibniz Universität Hannover forschte Sabine Rabe mehrere Jahre über Freiraumplanung und gründete schließlich 2009 aus dem Büro Ohrt von Seggern + Partner heraus osp urbane landschaft. 2012 firmierte osp zu rabe landschaften um und Sabine Rabe steigt als Teilhaberin bei arge studio urbane landschaften -bildung bei Thomas Gäbel und Hille von Seggern ein. Das interdisziplinäre Team aus Landchaftsarchitekt:innen, Stadtplaner:innen und Architekt:innen gestaltet städtische und landschaftliche Räume – von kleineren Eingriffen über städtische Plätze und Wohnviertel bis hin zu urbanen und Flusslandschaften sowie regionalen Naturgebieten. Dabei besteht die zentrale Herausforderung stets darin, ästhetische, technische und ökologische Aspekte harmonisch in die Gestaltung der Lebensräume der Menschen zu integrieren. Initialzündung? Ich bin Landschaftsarchitektin und wollte Flüsse renaturieren. Liebstes Designstück? Enzi, man kann ihn in seiner ganzen Qualität nur im Museumsquartier in Wien erleben. Lieblingsplatz zu Hause? Der Balkon. Besser nicht. Kreativster Ort? Auf dem Rad und in der Bahn.... da hat man Zeit zu denken. Helden? Andre Dekker von Observatorium Rotterdam Stil? Drinnen ist wirklich nicht meins, das müssen andere machen. Lieblingsmaterial? Pflanzen. Markante Wohnorte? Auf einer Warft auf den Halligen. (siehe Website, Hallig Langeneß). Arbeitsplatz? Kreatives Chaos oder aufgeräumtes Genie ? Ewige Zettelwirtschaft...mal sehen, wann das Papier ausgeht. Inspiration? Was hat Sie zuletzt inspiriert? Die Rhumequelle. Neuheiten und Trends? Zeigen Sie uns Ihr jüngstes Projekt und verraten Sie uns, welches Trends für die Zukunft Sie prägen... "so grün wie möglich" - unser Entwurfskredo im Team.

  • #einefragedesdesigns Johanna Reisch

    Johanna Reisch arbeitet als Head of Department Landscape Nord beim international renommierten Architekturbüro Henning Larsen. Bevor die Landschaftsarchitektin bei unserem Netzwerkformat ReFraming Architecture zu Gast ist, haben wir mit ihr über Designlieblinge, neueste Projekte und kreative Orte gesprochen. Johanna Reisch leitet das Team Hamburg und Berlin, ist Landschaftsarchitektin und für die erfolgreiche Durchführung von Projekten verantwortlich. In Ihren 16 Jahren Berufserfahrung hat sie sich einen weitreichenden Wissens- und Erfahrungshorizont aufgebaut, der vom gestalterischen Konzept bis zur technischen Umsetzung reicht. Als Landschaftsarchitektin sieht sie es als besonders reizvolle Herausforderung, an der Schnittstelle von verschiedenenen Akteuren zu arbeiten und hier ästhetisch sowie sozial und ökologisch anspruchsvolle Orte zu schaffen. Ihre Expertise und ihre Erfahrungen ermöglichen eine ganzheitliche Betrachtung von Landschaftsarchitektur und Städtebau mit einer Herangehensweise, in der Planung und Ausführung nahtlos ineinandergreifen. Am 30. Mai ist sie zu Gast bei unserer Talkreihe ReFraming Architecture by stilwerk. Heute haben wir mit ihre über Lieblingsplätze, kreative Orte und ihre Stil gesprochen. Initialzündung? Ich bin Landschaftsarchitektin. Kunst und die kreative Fächer haben mich schon in de Schule interessiert, darüber hinaus war ich schon immer gerne in der Natur. Diese Mischung hat mich neugierig gemacht. Liebstes Designstück? Die Louis Poulsen Lampe, die ich auf dem Flohmarkt erstanden haben. Lieblingsplatz zu Hause? Aktuell definitiv der Balkon. Kreativster Ort? Der für mich der inspirierendste Ort ist unser Werkstattraum im Überlinger Ursprungsbüro, direkt am Bodensee. Hier sind Modelle und Wasserexperimente entstanden, die meine Arbeit bis heute nachhaltig prägen- jetzt in den Großraumbüros zwischen Hamburg und Berlin. Stil? Dänisch + Vintage. Lieblingsmaterial? Grünzeug. Markante Wohnorte? Ich habe zeitweise als sechstes Mitglied in einem 10qm großen Zimmer in einer generationsübergreifenden Männer-WG gelebt. Ich glaube hier wurden bereits meine Team Skills gefordert. Arbeitsplatz? Kreatives Chaos oder aufgeräumtes Genie - zeigen Sie uns Ihren Schreibtisch. Ich würde sagen: ´kreatives, strukturiertes Chaos". Die clean desk policy funktioniert bei mir leider überhaupt nicht. Charakterstück? In dem fast fertig gestellten Bochum Ostpark steckt vieles drin. Hier durfte ich einen neuen sozialen Ort für die städtischen Anwohner:innen mitgestalten. Der neue Raum gliedert sich entlang einem mit Regenwasser gespeisten Wasserlauf, der attraktiver Aufenthaltsort und Infrastrukturelement zugleich darstellt. Die Planungen von Henning Larsen für den Bochumer Ostpark. Inspiration? Was hat Sie zuletzt inspiriert? Vielleicht haben Sie einen Schnappschuss gemacht... Die gerade aktuelle Ausstellung in den Deichtorhallen SURVIVAL IN THE 21st CENTURY , die Denkanstöße für das zukünftige Zusammenleben gibt. Darüber hinaus hat mich bei meiner letzten Reise auf die Kap Verde, die Handwerkskunst des Trockenmauerbaus sehr fasziniert. Oben v.l.n.r.: Yalda Afsah, Videourle (Filmstill), 2019 © Yalda Afsah Copyright: © Yalda Afsah | Installationsansicht »Survival in the 21st Century«, 2024 mit Werken von James Bridle (vorne) und Edith Dekyndt (hinten) © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge Copyright: © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge / Unten v.l.n.r.: Abbas Akhavan, curtain call, variations on a folly (2021–), Installationsansicht »Survival in the 21st Century«, Deichtorhallen Hamburg, 2024 © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge Copyright: © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge | Installationsansicht »Survival in the 21st Century«, 2024 mit Werken von Charles Stankievech (vorne) und Thomas Struth (hinten) © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge Copyright: © Deichtorhallen Hamburg, Foto: Henning Rogge Trockenmauerwerk in Cap Verde Dauerbrenner? Designikone, Song, Buch oder Film - zeigen Sie uns Ihren absoluten Klassiker. Salt-N-Pepa - Push it Neuheiten und Trends? Zeigen Sie uns Ihr jüngstes Projekt und verraten Sie uns, welches Trends für die Zukunft Sie prägen... In einer Gestaltung einer Parkanlage in Bremen, entwickeln wir aktuell ein Gestaltungskonzept indem Tiny Forrest eine wesentlich Rolle spielen werden. Diese bilden nicht nur für Biodiversität und das Mikroklima einen Beitrag sondern sind auch identitätsstiftender Baustein für dir Anwohner. In einer gemeinsamen Pflanzaktion wird der Austausch unter den Anwohner und das Bewusstsein für die Natur gefördert. Darüber hinaus begegnet uns immer wieder das Thema der belasteten Böden im Stadtraum. Ein intelligenter Umgang hiermit halte ich für wesentlich in vielen zukünftigen Projekten.

  • Grünzeug mit Botschaft

    Wenn das Gemüse von den Stillleben berühmter Maler auf einmal in Plastikfolie verpackt ist, steckt bestimmt das Architektur-Kollektiv Quatre Caps dahinter. Doch mehr als der Spaß zählt hier die Message. Die malerischen Landschaften der Blue Ridge Mountains © Visit VBR Text von Annika Thomé Von weitem sieht es aus wie ein Monet. Von nahem ist es eher ein „Monet remastered“. Das Obst, das bei dem Impressionismus-Meister lose auf dem Tisch lag, ist nämlich in Plastik konserviert. Tomaten in kleinen Eimerchen, Trauben in rechteckigen Kunststoffschalen, Äpfel in Folie: Für die Fotostrecke „Not longer life“ hat die spanische Architektengruppe Quatre Caps historische Gemälde nachgestellt und in unsere Zeit gebeamt. „Die Idee dazu kam uns im Supermarkt, als wir irritiert vor dem Fertigobst standen. Geschälte und dann wieder verpackte Orangen? Absurd,  Orangen haben doch von Natur aus die perfekte Verpackung!“, empört sich Bernat Ivars, einer der kreativen Köpfe aus Valencia. „Es ist erschreckend – im Supermarkt fällt uns der ganze Plastikmüll gar nicht mehr auf. Aber an den berühmten Kunstwerken schon. Es hat beinahe etwas Komisches, die Klassiker so zu sehen.“ So baumelt auf Juan Sánchez Cotáns „Stillleben mit Quitte, Kohl, Melone und Gurke“ jetzt ein eingeschweißter Kohl vom Holzgestell, im Obstkorb von Caravaggio liegen kleine gelbe Plastikflaschen mit Zitronensaft anstelle echter Zitronen. Und überall Folie, Südfrüchte in Schaumstoffnetzen, Strohhalme, Einwegbesteck, Sixpack-Träger.... Die überarbeiteten Gemälde sprechen für sich – und unseren wahnwitzigen Plastikkonsum. Allein in der EU werden für Essen und Getränke jedes Jahr 1,1 Billionen Verpackungen hergestellt. Die meisten von ihnen bräuchten 600 Jahre, um sich zu zersetzen. Spitzenreiter ist übrigens Coca-Cola; der Mega-Konzern produziert 88 Milliarden Einwegflaschen im Jahr. Aneinandergereiht würden sie 31-mal zum Mond und zurück reichen. „Das sind Themen, die uns interessieren und angesprochen werden müssen“, findet Ivars. Ob die Architekten die Verpackungen nach dem Fotografieren der Kampagne auch sachgemäß entsorgt haben? „Es gab nichts zu recyceln. Die Bilder sind 3D, die Verpackungen am Computer entstanden. Das ist ja das, was wir eigentlich machen – 3D-Visualisierung für Interior-Designer und Architekten.“ Aber einmal fotogrammetrisch festgehalten, haben die Jungs das Obst und Gemüse natürlich ganz einfach analog aufgegessen. Quatrecaps.com Fotos: © Quatrecaps

  • we curate inspiring spaces.

    Mit dem stilwerk Strandhotel Blankenese eröffnen wir im Mai unser zweites Hotel in Hamburg: Wieder ein Jugendstiljuwel, wieder am Wasser, nur diesmal nicht Alster, sondern Elbe. Das Hotel liegt vor der malerischen Kulisse des Blankeneser Treppenviertels und versprüht mediterranes Flair. Was diesen Ort so besonders macht, wie das Interiorkonzept des Hauses ausschaut und welche Farbwelten uns erwarten, darüber sprechen wir mit Karlotta Bott, Head of Curation & Design und Alexander Garbe, Gesellschafter von stilwerk. stilwerk: Was ist das Besondere an diesem Ort? Alexander Garbe: An diesem Ort passiert einfach sehr viel gleichzeitig: Du bist in der Stadt und irgendwie auch raus. Der Strand (übrigens einer der letzten Naturstrände Hamburgs) liegt um die Ecke und gleichzeitig ist der Hafen gegenüber. Containerriesen ziehen vorbei und das malerische Treppenviertel mit seinen Villen liegt hinter Dir. Diese Gleichzeitigkeit ist das Besondere. Sie kreiert eine gewisse Magie, die diesen Ort so besonders macht…zumindest für mich. Karlotta Bott: Absolut – so geht es mir auch immer wieder, wenn ich herkomme. Und das Licht – das Licht in den Räumen ist einfach fantastisch. Wenn die Sonne scheint, entsteht gleich eine so warme Atmosphäre, die mich gefühlt in den Süden beamt. Karlotta Bott, Head of Curation & Design, und Alexander Garbe, Gesellschafter von stilwerk. stilwerk: Ihr habt das Hotel komplett neu gestaltet. Wie startet ein solcher Kreativprozess? Im Team, vor Ort? Lasst uns mal kurz hinter die Kulissen schauen…. K.B.: Auf jeden Fall im Team: Nach einer ersten, gemeinsamen Besichtigung vor Ort, bei der wir erste Ideen, spontane Assoziationen sammeln und vielleicht schon drei, vier Stichwörter finden, die als Rahmen dienen, folgt eine intensive Research Phase: Hier lasse ich mich visuell inspirieren, finde Moods, die unserer Vision vom Ort entsprechen. Bei diesen Moods wird es meist noch gar nicht konkret, sondern vielmehr geht es um eine Stimmung, ein Gefühl, die Atmosphäre, ja in gewisser Weise um eine Haltung, die wir mit dem Space vermitteln möchten. Das Wesen des Ortes sozusagen… A.G.: Stichworte wie zeitlos, modern mit einem gewissen Twist stehen im Prinzip schon fest – das ist sozusagen die DNA von stilwerk und all unseren Destinationen. Aber es ist ein echter Prozess. Mit vielen Kurven, Kreiseln und Wendungen… Mit Moodboards und Collagen startet der Kreativprozess © Luís Bompastor Dann erzählt doch mal – was ist das Designkonzept? A.G.: Wir möchten mit dem stilwerk Strandhotel einen Ort kreieren, der inspiriert, überrascht und an dem Urlaub in der Stadt möglich wird. Urlaub im Sinne von Herunterkommen, Pause machen, Durchatmen. Hier kannst Du gutes Design wirklich genießen,  – für den Business Trip oder auch den Städtetrip. K.B.: Genau, wir wollen hier eine Oase schaffen. Eine Oase zum Wohlfühlen, die dich inspiriert. Ein Ort, der zum Austausch einlädt. Bei der Gestaltung haben wir uns von der Umgebung inspirieren lassen: Wasser, Sand und saftiges Grün definieren unsere Farbwelt. Die Materialien sind insgesamt echt und sehr natürlich. Unlackiertes, gebeiztes Holz, Marmoroberflächen, Messingtöne. Gepaart mit kleinen Brüchen, Twists, die das Gesamtbild spannend machen. Diese Brüche fangen bei der Farbwelt an, gehen über reizvolle, besondere Formen bei den Möbeln weiter und finden den letzten Schliff bei den Accessoires. Das Design der Studios © stilwerk © Luís Bompastor Apropos Farbe: Wie bereits im stilwerk Hotel Heimhude spielt auch im hier Farbe eine echte Hauptrolle  – wie kommt es zu diesem Faible und was sind eure Blankenese Töne? K.B.: Tatsächlich waren in beiden Hotels erst die Farben da und dann kam der Rest. Also ja, Hauptrolle trifft es ziemlich gut (lacht). Für Blankenese sagen wir immer: sky, sun, sea and some greens – also Farbtöne, die von der Natur inspiriert sind und insgesamt eine wirklich gemütliche Atmosphäre schaffen. Dabei spielen Farben natürlich eh eine wichtige Rolle. Wir wollten aber ein Stück darüber hinaus gehen und mutig sein: Farbe als Statement, nicht schrillend bunt, aber klar im Ausdruck. A.G.: Karlotta musste mich zum Teil bremsen, um nicht so bunt zu werden (lacht). Ein gutes Beispiel ist unser Club Room: der ist rosa, aber weit entfernt vom Barbie-Look und einer niedlichen Anmutung. Vielmehr ein zeitloser Vibe, der in Kombination mit dem Mobiliar echt besonders ist. Von Sansgelb bis Dusty Blue: Die Farbpalette ist intensiv und passt zur Natur © Luís Bompastor Perfekte Überleitung: Wie sieht es bei den Möbeln aus - habt ihr neue Marken für den Kosmos entdeckt? Gibt es bestimmte Key-Pieces, die den Blankenese Vibe ausmachen? K.B.: Wir haben uns besonders in Mailand beim Salone del Mobile und auf den 3 Days of Design in Kopenhagen inspirieren lassen. Tatsächlich konnten wir dort einige, neue Marken finden: Atelier Areti beispielsweise, ein kleines Studio aus Italien, das wir im Off-Programm Alcova entdeckt haben und das jetzt unsere öffentlichen Bereiche ausstattet. Mit wirklich tollen Leuchten, die sehr elegant und formal wirklich besonders sind. Oder Rye aus Dänemark, die ihre zeitlosen Betten aus Holz in Dänemark und nur made to order herstellen. Ich könnte jetzt noch ewig weitererzählen, aber um noch ein paar Namen zu nennen: Auch Northern, New Works, Aytm , Urbanara, RackBuddy, Nichba oder Bernstein Bad gehören zu echten Highlight-Marken, die neu im Kosmos sind. A.G.: Ein echtes Key-Piece ist für mich das Verpan Sofa im Club Room. Viel Holz, Metalle und überraschende Accessoires prägen des Design des Hotels © Luís Bompastor Gibt es schon jetzt einen Lieblingsort im Hotel? Wo können wir Euch demnächst also finden? K.B.: Ich liebe die gelben Studios. Ich freue mich schon aufs Probeschlafen und den morgendlichen Tee im Lounge Chair mit einem wirklich einmaligen Blick auf die Elbe. Wenn die Sonne scheint, entsteht eine ganz besondere Magie im Raum. Mein Tipp: Studio Nr. 4 ;) A.G.: Mein absoluter Favorit ist der Club Room. Für mich ein besonderer Space, der mit seiner Mischung aus Bar, Living Room und Community Space zu einem Hotspot in Blankenese werden kann. Das hoffen wir jedenfalls. Der Clubroom mit dem Verpan-Sofa als aboslutes Key-Piece © stilwerk Mit dem stilwerk Hotel Heimhude gibt es bereits ein weiteres Hotel in der Stadt. Auch eine Jugendstilvilla, auch in der Nähe vom Wasser. Was sind für Euch die prägnantesten Unterschiede? A.G.: Heimhude ist unsere Grande Dame in Sneakers: Die Umgebung ist sehr städtisch, trotz Alsternähe. Unsere Gäste kommen für einen kurzen Städte- oder Businesstrip dorthin: Design & Culture, Design & Work, sozusagen. Blankenese ist da ganz anders: Das stilwerk Strandhotel Blankenese ist ein Beach Get-Away in der Stadt. Allein schon durch die Umgebung: Strand, Wasser. Dort umgibt dich sofort eine Ruhe, die dich rausholt und entspannt. Hier können selbst Hamburger:innen Urlaub machen.. Die Idee der stilwerk hotels ist auch die Verbindung von Retail und Hotellerie – soll heißen: alles, was die Gäste an Design sehen, können sie auch kaufen? A.G: So in etwa. In der Tat war das unser Grundgedanke beim Einstieg in die Hospitality Branche: Wir wollen in unseren Hotels Design wirklich erlebbar machen. In Blankenese gehen wir noch einen Schritt weiter als in Heimhude: Hier werden unsere Hosts auch für eine Erstberatung zur Seite stehen und dann auch gerne die Vermittlung an unsere Händler oder die Marke direkt übernehmen. Die kuratierten Studios bieten somit nicht nur eine Unterkunft, sondern auch eine Möglichkeit, in eine kreative Welt einzutauchen und wirklich inspiriert zur werden. Zum Schluss zurück nach Blankenese: Habt ihr drei Wörter parat, die für Euch das Strandhotel Blankenese ausmachen? A.G.: mysterious lady in white….das sind jetzt vier, aber zählt, oder? (lacht) K.B: Drei sind tough: ich brauche glaube ich auch ein paar mehr: Coole Ornamente mit zeitlosen, modernen Designs treffen auf eine gute Portion edge. Dazu kommt einfach die Magie des Ortes… Super. Vielen Dank Euch für die spannenden Insights und Eure Zeit.

  • Places to See: Capital Region USA

    Facettenreiches Urlaubsziel an der US-Ostküste Die malerischen Landschaften der Blue Ridge Mountains © Visit VBR Von den malerischen Landschaften der Blue Ridge Mountains bis hin zu den unzähligen Wassersportaktivitäten auf der Chesapeake Bay hat die Hauptstadtregion an der US-Ostküste eine ganze Menge für einen abwechslungsreichen USA-Urlaub zu bieten. Mittendrin liegt die amerikanische Hauptstadt Washington, DC. Wer glaubt, dass sich hier alles nur um Politik dreht, liegt komplett falsch. Entlang der National Mall säumen sich imposante Monumente, erstklassige Museen und Gebäude wie das Weiße Haus und das US-Kapitol, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Lebendige Stadtviertel – einige davon bezaubern mit einer entspannten Waterfront – laden Besucher zum ausgiebigen Shopping, zu kulinarischen Hochgenüssen in 25 Sternerestaurants sowie einem ausgelassenen Nachtleben mit wunderbaren Aussichten von den zahlreichen Rooftopbars ein. Wer genug Großstadtluft geschnuppert hat, nimmt sich einen Mietwagen und begibt sich auf einen Roadtrip durch die angrenzenden Bundesstaaten Maryland und Virginia – zwei Städte sollten dabei unbedingt auf dem Programm stehen. Slider: Das Weiße Haus © washington.org | Kirschblüten in Washington © washington.org | National Museum of Natural History © washington.org | Abraham Lincoln Statue im Lincoln Memorial © washington.org | National Museum of African American History and Culture © Alan Karchmer Annapolis: Maritimes Flair in der charmanten Hafenstadt Mit knapp 6.440 Kilometern Küstenlinie ist Maryland perfekt geeignet für Wassersport- und Strandliebhaber. Ein ganz besonderes Juwel ist Annapolis, die Hauptstadt Marylands sowie die Segelhauptstadt der USA. Heute wird das Flair vom maritimen Treiben am City Dock und durch die U.S. Naval Academy geprägt, die bei geführten Touren oder auf eigene Faust besichtigt werden kann. oben v.l.n.r.: Malerischer Sonnenaufgang in Annapolis © Bob Peterson, ein Blick in die Hauptstraße der Hauptstadt Marylands © Robert Peterson | unten v.l.n.r.: Ein Blick von oben auf die Hafenstadt © Visit Annapolis & Anne Arundel County, die Naval Academy in Annapolis © U.S. Naval Academy Rund um den Hafen und entlang der Main Street befinden sich kleine Boutiquen, die überwiegend lokal besetzt sind und Handgefertigtes, Kunst sowie Souvenirs bieten. Auf den Speisekarten der Restaurants stehen Crab Cakes und frisches Seafood. Charlottesville: Weingenuss am Fuße der Blue Ridge Mountains Der Bundesstaat Virginia beeindruckt mit der vielfältigen Landschaft von Bergmassiv bis Küste sowie mit fast 400 Weingütern, die Besucher zu genussvollen Verkostungen einladen. Vor genau 250 Jahren hat hier der ehemalige US-Präsident Thomas Jefferson den Grundstein für den US-Weinanbau gelegt. Ein Ausritt in die Weinberge von Charlottesville © CACVB Heute können Urlauber nicht nur seinen Landsitz Monticello, sondern auch zahlreiche prämierte Weingüter rund um Charlottesville besuchen. Die Region wurde zur "2023 Wine Region of the Year" von Wine Enthusiast gekürt. Die charmante College-Stadt sorgt zudem mit erlesenen Resorts im malerischen Umland sowie modernen Hotels in Downtown Charlottesville für eine vielfältige Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Wandern und Radfahren lässt es sich besonders gut im nahegelegenen Shenandoah National Park. Links: Downtown Charlottesville © VTC | Rechts: Malerisch: Monticello, der Landsitz vom ehemaligen US-Präsidenten Thomas Jefferson © Virginia Tourism Corporation Neugierig geworden? Mit unserem Reise-Partner CRD Touristik  im stilwerk Hamburg könnt ihr eure Reise in die Capital Region individuell gestalten und buchen.

  • Material Girls

    Ein Stuhl soll gut aussehen und bequem sein? Moment! Fragt man das Kollektiv Hyloh, ist das Wichtigste an einem Produkt das, woraus es besteht. Die Material-Experten beraten Firmen zur Optimierung ihrer Herstellungsprozesse. Eins ihrer wichtigsten Themen: Nachhaltigkeit. © Hyloh Text: Judith Jenner Nachhaltigkeit bedeutet, dass künftige Generationen das haben, was sie brauchen. So wie wir momentan konsumieren ist es nicht nachhaltig, wel wir zu viel nehmen und zu viel verschwenden. Wenn Fiona Anastas, Elodie Ternaux und Sarah D’Sylva einen Stuhl ansehen, interessiert sie weniger seine Bequemlichkeit. Sie sehen das Holz, aus dem er geschaffen ist, mit welcher Art Schrauben die  Sitzfläche mit den Beinen verbunden ist und welche Art von Stoffgleitern den Boden schonen, auf dem er steht. Die drei Frauen haben 2017 mit anderen internationalen Designern und Material-Profis das Kollektiv Hyloh gegründet. Was sie eint, ist die Frage nach dem Stoff, aus dem Alltagsgegenstände wie Kaffeemaschinen, Armbanduhren oder Möbel gemacht sind. „Wenn wir unsere Entdeckungen und Informationen teilen, können wir einfach noch besser arbeiten“, sagt Fiona Anastas. Den Namen Hyloh leiteten die „material minds“ vom altgriechischen Begriff „Hylo“ ab, der übersetzt so viel wie Stoff oder Materie bedeutet. „Material ist alles, nichts existiert ohne Grund. Uns fasziniert nicht allein dessen konstante Weiterentwicklung, sondern auch die Verbindung zum Menschen – und das aus sensorischer, emotionaler und wertschöpfender Perspektive“, erklärt Elodie Ternaux. Statt in einem gemeinsamen Büro sitzen die Mitglieder von Hyloh in der halben Welt verstreut. Fiona Anastas arbeitet entweder direkt beim Kunden oder in einem Co-Working Space in Brooklyn. In Video- oder Telefonkonferenzen tauscht sie sich mit ihren Kollegen in Australien, China, Deutschland oder Frankreich aus. © Hyloh Persönlich treffen sie sich auf Design-Messen; etwa in Mailand oder Amsterdam, wo Hyloh dieses Jahr im Rahmen des „FRAME Labs“, einem Kongress des gleichnamigen Design-Magazins, unterschiedliche Zukunftsszenarien und Materialwelten präsentierte. Klimaschutz spielte nicht nur dort eine wichtige Rolle. „Nachhaltigkeit bedeutet, dass künftige Generationen das haben, was sie brauchen. So wie wir momentan konsumieren, nehmen und verschwenden wir viel zuviel“, sagt Fiona Anastas. Ihrer  Ansicht nach gibt es keine wirklich nachhaltigen Materialien; der Begriff würde die Problematik nur vereinfachen. Und wie kann man dann gegen den Klimawandel anwirken? Die überzeugendste Strategie sehen die Hylohs in der Formel: „reducing, refusing and reusing“. Mit ihr könne man auch das restaurative Design revolutionieren. „Wenn wir eine Kreislaufwirtschaft anstreben, müssen wir Abfall als Ressource betrachten“, erläutert Kollegin Sarah D'Sylva. „Dank verbesserter Recycling-Technologien ist es heute ja möglich, Abfälle wieder zu einem vergleichbaren Rohstoff umzuwandeln. Oder alternativ in einen neuen Werkstoff mit einer besonderen Ästhetik.“ Beispiele dafür sind das Textil-Recycling-Material BlockTexx, Ecor Panels aus Papierfasern oder das Material Seaqual aus 100 Prozent recycelten Polyesterfasern, die teils aus Kunststoffabfällen aus der Schifffahrt stammen. Klingt wie die Lösung aller Probleme, doch noch benötigt die Infrastruktur für Recycling und Wiederaufbereitung viel Investition und Entwicklung. „Bis diese Lücke geschlossen ist, sollten sich Verbraucher für Produkte aus recycelten Materialien entscheiden, die sich reparieren und wiederaufarbeiten lassen. Oder für Marken, die Rücknahmeprogramme anbieten“, empfiehlt Sarah. Auf diese Weise sei zumindest eine regenerative Schleife garantiert. Interessante Entwicklungen sehen die Material-Experten von Hyloh bei biologisch abbaubaren Materialien. Das Versprechen klingt verlockend: Wie Kartoffelschalen oder Kaffeesatz werden sie kompostiert und bauen sich rückstandsfrei ab, ja liefern der Umwelt sogar Nährstoffe. Eine verbindliche Norm soll garantieren, dass sich die Materialien tatsächlich vollständig zersetzen und nicht als Mikropartikel in der Erde oder den Meeren bleiben. Dafür braucht es allerdings eine entsprechende Kompostieranlage, was logistische Herausforderungen mit sich bringt. Zu den Trends der Zukunft zählen die Profis von Hyloh nicht nur gewachsene Stoffe, sondern auch althergebrachte Herstellungsweisen wie Fermentierung. Dazu geht es auch darum, neue Verwendungsmöglichkeiten für traditionelle Materialien wie Hanf oder Rattan zu erkunden. Was technische Materialien und Herstellungsverfahren angeht, sehen sie Photovoltaik, Graphen oder 3D-Druck auf dem Vormarsch. Ihren Kunden rät Hyloh auf dem Hintergrund von Studien, komplette Herstellungsverfahren zu überdenken, um zu einem nachhaltigeren und runderen Produkt zu gelangen – zum Beispiel, indem Klebstoffe eliminiert werden oder geschichtete Monomaterialien zum Einsatz kommen. Mit Erfolg, die Liste der Auftraggeber ist breit gefächert. Sie kommen etwa aus der Unterhaltungselektronik, der Architektur, der Einrichtungs-, Verpackungs- und Kosmetikbranche. Für die Zukunft prognostiziert Fiona Anastas: „Materialien wird man zunehmend so wählen, dass ihre Haltbarkeit im Einklang mit ihrer vorgesehenen Lebensdauer steht. Dazu sollen sie die Werte einer Marke verkörpern. Insgesamt werden sie uns aber weiterhin so voranbringen, wie sie es immer getan haben.“ Fragt man Hyloh, so sind Materialien nichts weniger als der Motor der Menschheit.

bottom of page